Der Fluch der Hebamme
nieder, streckte ihr die rechte Faust entgegen und öffnete sie, um ein reichverziertes silbernes Kästchen sichtbar werden zu lassen. Vorsichtig klappte er den Deckel hoch und blickte sie erwartungsvoll an.
Sicher ein Ring als Verlobungsgeschenk, dachte Clara beklommen. Wie ihre Mutter hielt sie nicht viel von Geschmeide und trug nur in höfischer Gesellschaft welches, um ihren Stand anzuzeigen.
Doch als sie einen halben Schritt näher trat, um das Geschenk entgegenzunehmen, erkannte sie, dass sie falsch vermutet hatte. Das Kästchen war mit dunkelblauen Körnern gefüllt.
Neugierig trat sie noch einen halben Schritt näher, um im Halbdunkel der Kammer zu erkennen, worum genau es sich dabei handelte.
»Mohnsamen aus dem Morgenland!« rief sie, grenzenlos verblüfft.
»Ich dachte mir, dass ich Euch damit eher eine Freude bereiten kann als mit Geschmeide«, antwortete Reinhard. »Und hoffe, Ihr fühlt Euch nicht gekränkt, dass es keine silberne Fibel oder ein Ring ist. Ich habe sämtliche jüdischen Händler in der Mark Meißen aufgesucht, bis ich endlich diese Seltenheit für Euch ausfindig machen konnte.«
»Ihr ahnt nicht, welche Freude Ihr mir damit bereitet!«, sagte Clara aus vollem Herzen. »Schon lange wollten Mutter und ich welchen heranziehen, aber es ist uns nie gelungen. Man kann damit Schmerzen lindern, sogar Menschen in tiefen Schlaf versetzen, während ihnen Gliedmaße abgetrennt werden müssen.«
Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass ihr Bräutigam demnach schon länger den Plan gefasst haben musste, um sie anzuhalten und ihr dabei dieses Geschenk zu machen.
»So steht doch auf!«, bat sie verlegen, während ihre Gedanken durcheinanderpurzelten.
Reinhard schloss das Kästchen, das in seinen kräftigen Händen recht zerbrechlich wirkte, und stellte es vorsichtig auf den Tisch.
Wieder sah er sie an, wobei er noch ernster als gewöhnlich wirkte.
»Clara, ich bitte Euch, meine Gemahlin zu werden. Ich weiß, dass Ihr mir gegenüber Vorbehalte hegt … scheinbar berechtigte … Aber Euer Stiefvater versprach mir, Euch einzuweihen. Seid versichert, dass ich Euch liebe und alles tun werde, um Euch zu beschützen.«
»Nun steht schon auf und nehmt Platz«, wiederholte Clara und zwang sich zu einem knappen Lächeln. »Nachdem wir den förmlichen Teil der Brautwerbung hinter uns gebracht haben, sollten wir wohl gleich zum verschwörerischen übergehen.«
Nun lächelte Reinhard verhalten – ein unvertrauter Anblick bei diesem Ritter. »Ich wusste, dass Ihr ein ungewöhnliches Mädchen seid …«
Claras Gesicht verdüsterte sich. »Mir bleibt doch gar keine Wahl! Ich will Euch gegenüber ehrlich sein. Ich möchte nicht heiraten. Doch ich achte den Mut, mit dem Ihr versucht, das Vermächtnis meines Vaters fortzusetzen. Das will ich auch. Wenn wir uns dafür zusammenschließen, wäre es ein Anfang …«
Ich hoffe, sie schlägt mir nicht nur eine Ehe zum Schein vor, dachte Reinhard beunruhigt. Aber das sagte er nicht laut. Nach den verächtlichen Blicken, mit denen ihn Clara noch vor ein paar Tagen betrachtet hatte, ließ sich seine Werbung überraschend erfreulich an. Lukas musste wirklich ein gutes Wort für ihn eingelegt haben.
Ehe sie aussprechen konnte, was er befürchtete, zog er sich besser zurück. Außerdem musste er nun schleunigst aufbrechen, wollte er Elmars Befehl befolgen. Der Anführer der markgräflichen Leibwache hatte ihn nach Marienzelle beordert, damit er sich dort dem Gefolge anschloss, das Otto nach Döben begleitete.
Also erhob er sich von der Bank, kaum dass er Platz genommen hatte, verneigte sich erneut und sagte: »Ich danke Euch, dass Ihr meine Werbung erhört habt.«
Er bekam ein höfliches Lächeln zur Antwort und verabschiedete sich.
Clara ließ sich auf die Bank sinken, nachdem die Tür wieder geschlossen war, klappte unentschlossen den Deckel des Kästchens auf und zu und dachte nach, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
Normalerweise hatte sie wie ihre Mutter ein feines Gespür für andere Menschen. Sollte sie sich wirklich so getäuscht haben? Oder täuschte Reinhard sie alle?
Familienbande
B urg Döben war auf einem Felssporn an der Mulde errichtet, genau an der Biegung des Flusses.
Markgraf Otto erreichte den Ort nach einem dreitägigen Ritt erschöpft, zermürbt und noch schlechter gelaunt als sonst. Jeder Knochen tat ihm weh, und drei Tage im Sattel bei nasskaltem Wetter waren nun wirklich nichts, das seine Laune bessern konnte, selbst wenn der Reiterzug
Weitere Kostenlose Bücher