Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
sogar mein Urgroßvater, der das Gerücht in die Welt gesetzt hat, da spuke es. Das macht die Hütte zu einem guten Versteck in Notlagen. Dein Vater hat sich auch einmal dort verborgen, nachdem meiner und Lukas ihn aus Randolfs Kerker befreit hatten. Er war wohl mehr tot als lebendig. Deine Mutter pflegte ihn damals gesund.«
    Davon hatte ich keine Ahnung, dachte Thomas bestürzt und fragte sich, wie viel er noch nicht von seinem Vater wusste. Warum hatte er ihm nicht mehr erzählt, als er noch lebte?
    Doch die Antwort lag auf der Hand: Wie jeder Junge von Stand hatte Thomas mit sieben Jahren das Haus verlassen, um als Page und später Knappe zum Ritter ausgebildet zu werden. Er wünschte, er hätte mehr Zeit mit seinem Vater verbringen können.
    In seinem Magen breitete sich ein Kribbeln aus, als sie tiefer in den Wald eindrangen. Bald mussten sie von den Pferden absteigen und führten sie am Zügel.
    »Hier irgendwo muss es sein … Ich bin ewig nicht mehr hier gewesen. Das Unterholz ist viel dichter geworden … Da, links!« Erleichtert schob Roland ein paar stachlige Zweige beiseite.
    Neugierig sah Thomas auf die halb zerfallene Hütte, deren Bretter mit einer dünnen Schicht Moos überzogen waren. Eine brüchige Tür hing schief in den Angeln und schwang leicht hin und her, obwohl hier kein Wind ging. Vielleicht hatten sie irgendein Tier aufgeschreckt. Dichte Spinnweben hingen in den Winkeln, und eine Krähe äugte misstrauisch vom Dach zu ihnen herunter, ehe sie laut krächzend davonflog.
    Wirklich unheimlich, dachte Thomas. Doch stärker als die geisterhafte Umgebung beschäftigte ihn der Gedanke, hier womöglich auf eine Spur seines Vaters zu stoßen.
    »Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein!«, spottete er leicht gezwungen, zog die brüchige Tür vorsichtig auf und spähte hinein.
    Die Einrichtung bestand lediglich aus einer Kochstelle aus runden Steinen in der Mitte des schummrigen Raumes.
    »Geb’s Gott, dass wir hier nicht für länger unterkriechen müssen«, sagte er und trat wieder hinaus.
    Ein paar Schritte abseits lag eine winzige Lichtung, auf die ein paar Sonnenstrahlen durchdrangen. Moos in sattem Grün und kleine weiße Blüten verliehen ihr etwas Anheimelndes. Thomas fragte sich, ob hier vielleicht einmal sein Vater und seine Mutter beieinandergesessen haben mochten. Dann schalt er sich einen Narren für diesen Gedanken. Das alles musste zwanzig Jahre oder länger zurückliegen. Wer weiß, wie es damals hier ausgesehen hatte und ob seine Eltern zu jener Zeit überhaupt schon verheiratet gewesen waren. Dennoch stand ihm das Bild lebendig vor Augen, wie sein Vater seine Mutter zärtlich an sich zog und sie küsste.
    Er drehte sich zu Roland, um das Phantasiegespinst abzuschütteln. Wortlos setzten sie sich zu den Pferden, die dicht neben der Hütte standen, und warteten.
     
    Raimund besprach gerade etwas mit dem Dorfschmied, als der Schäfersohn aufgeregt zu ihm gerannt kam.
    Sofort lief er zum Herrenhaus, das nur einen Steinwurf entfernt stand. Während er den Hof mit großen Schritten überquerte, befahl er einer Magd, ein Huhn zu schlachten und dabei das Blut aufzufangen. Verwundert starrte sie ihn an, bevor sie ging und ein Beil holte.
    Elisabeth, seine Frau, saß am Fenster und nähte, neben sich einen Stapel mit frisch gewaschenen Beinlingen, die ausgebessert werden mussten.
    »Roland und noch jemand – vermutlich Thomas – sind in der Nähe, sie wollen mich in der Hütte des Wilden Mannes treffen«, berichtete er.
    Elisabeth sah auf und zog die Stirn besorgt in Falten. »Die üblichen Schwierigkeiten? Oder das, was wir seit langem befürchten?«
    »Rolands Begleiter sah arg zusammengeschlagen aus, erzählte mir der junge Wilhelm. Sie haben ihn bei den Schafen getroffen und zu mir geschickt. Und die Sache mit den Masern war etwas, das wir abgesprochen hatten für den Fall, dass jemandem unmittelbar Gefahr droht.«
    Ein roter Ausschlag von den hoch ansteckenden und gefährlichen Masern – im Notfall mit Hilfe von verdünntem Hühnerblut vorgetäuscht – würde vermutlich auch den unerschrockensten Mann von einer Verhaftung abhalten.
    Elisabeth legte das Nähzeug beiseite und begann ohne ein weiteres Wort, aus der Truhe Kleidungsstücke und Leinenstreifen herauszuholen; dann lief sie in die Küche und die Vorratskammer, um Brot, Käse und kaltes Fleisch in einen Korb zu packen. Raimund suchte derweil zusammen, was seinem Sohn und dessen Begleiter wohl sonst noch nutzen

Weitere Kostenlose Bücher