Der Fluch der Hebamme
noch zu jung zum Heiraten bist?«
Er stand nun ganz dicht vor Roland. Der legte sein Brot beiseite und stand betont langsam auf.
»Nenn mich nicht einen Feigling«, sagte er mit leiser, mahnender Stimme.
»Doch, das tue ich!«, brüllte Thomas. »Du hast sie kampflos diesem Bastard überlassen, der wer weiß was mit ihr vorhat!«
In blinder Wut ging er mit Fäusten auf den Freund los.
Mühelos fing Roland den Angriff ab. Doch Thomas war so voller Zorn, dass er seine Schmerzen vergaß und im nächsten Augenblick eine handfeste Prügelei zwischen beiden begann.
Raimunds Sohn beendete sie rasch, indem er Thomas den Arm um den Hals legte und ihm die Faust vor die gebrochene Nase hielt. »Komm zur Vernunft, Kerl, oder deine Mutter hat sie umsonst gerichtet!«
Ächzend fiel Thomas auf die Knie und sank in sich zusammen. Das unerträgliche Stechen in seinem Körper bewies, dass er noch nicht einmal zu einer ordentlichen Schlägerei in der Lage war. Er griff mit der Hand nach den erbärmlich schmerzenden Rippen und japste nach Luft. Beschämt ließ er den Kopf sinken, die nassen Haare hingen ihm ins Gesicht.
Roland warf ihm wütend seinen Anteil Brot zu, das nun völlig durchgeweicht war.
»Wohin hätte ich denn mit ihr fortreiten sollen, du Tölpel?«, brüllte er, nun selbst ohne jegliche Beherrschung. »Hast du vergessen, dass wir im Moment wahrscheinlich die am meisten gesuchten Männer in der Mark sind? Was, wenn man sie bei uns findet und zusammen mit uns gefangen nimmt? Wir sollen gehenkt werden, schon vergessen? Was werden sie wohl mit ihr tun, wenn wir erst am Ast baumeln? Oder was, wenn wir den Kaiser treffen und er uns auffordert, das Kreuz zu nehmen? Hast du es nicht selbst gesagt: Diesmal sind keine Weiber im Tross zugelassen. Willst du sie zur Hure machen?! Wäre dir das lieber, ja?«
Wütend und hilflos zugleich zerdrückte Thomas den Kanten Brot, ohne davon zu essen.
»Ich kann es einfach nicht ertragen …«, sagte er leise, ein Schluchzen unterdrückend. »Wenn ich mir vorstelle, was er ihr vielleicht antut …«
»Das geht mir nicht anders«, sagte Roland bitter. »Am liebsten würde ich auf der Stelle umkehren und zurück nach Freiberg reiten, um sie zu holen.«
Er strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht und schätzte mit prüfendem Blick ab, ob der Freund wohl in der Lage sein würde, sich mit seinen straff verbundenen und nun vermutlich noch mehr in Mitleidenschaft gezogenen Rippen allein in den Sattel zu ziehen. Sie mussten weiter.
Doch Thomas unternahm keine Anstalten aufzustehen, als Roland zu den Pferden ging.
»Ich habe heute Nacht heimlich mit ihr gesprochen«, sagte er leise, immer noch im nassen Gras hockend.
Beklommen fuhr Roland herum. »Hast du ihr von meinen Heiratsabsichten erzählt?«
»Natürlich nicht«, fauchte Thomas zurück. »Das musst du schon selbst tun, wenn du sie wirklich willst!«
Gemäßigter fuhr er nach kurzem Zögern fort: »Ich habe sie gefragt, ob wir sie mitnehmen und irgendwo verstecken sollen. Oder ob sie vielleicht mit den Schmiedesöhnen schon etwas ausgeheckt hat, um dieser Hochzeit zu entgehen und allem, was ihr von Albrecht noch drohen kann.«
»Was hat sie gesagt?«, drängte Roland. Er wollte es nicht zugeben, aber auch ihn beherrschte die heimliche Hoffnung, dass Lukas oder Peters Bande noch irgendeinen geheimen Plan hatten, um Clara in Sicherheit zu bringen.
»Dass sie bleiben wird. Dass sie bleiben muss. Sie sagt, wenn sie bleibt, wird vielleicht niemand mehr nach uns suchen. Und dann seien auch Daniel und meine Stiefbrüder sicher.«
»Sie ist ein tapferes Mädchen«, sagte Roland, ohne die Bitterkeit in sich niederkämpfen zu können.
»Clara stellt sich das so einfach vor«, widersprach Thomas verzweifelt. »Vielleicht findet sie sogar diesen Kerl nicht mal so schlimm, unerfahren, wie sie ist. Und das böse Erwachen gibt es erst, wenn sie vermählt sind. Ich darf gar nicht daran denken …«
»Glaubst du, mir gefällt es, mir auszumalen, wie sie einem anderen ins Bett gelegt wird?«
Roland schrie diese Worte beinahe heraus. »Aber sie ist klug, sie weiß, was sie tut. Wenn du etwas für sie und die anderen tun willst, dann steig endlich wieder in den Sattel, statt hier herumzujammern! Wir müssen zum Kaiser. Nur er kann Albrecht aufhalten. Je schneller wir dort sind, umso besser stehen die Aussichten auch für Clara.«
Vorbereitungen
A uch in Meißen goss es ohne Unterlass, als Albrecht mit großem Gefolge von dort
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