Der Fluch der Hebamme
Schwert in der Hand halten konnte.«
Mit erzwungener Selbstbeherrschung legte Thomas seinen Hornlöffel neben die Schüssel und blickte den Rufer an.
»Ich kenne Euren Namen nicht. Doch Ihr solltet keine Scherze mit dem Tod meines Vaters treiben!«, sagte er härter, als er gewollt hatte und als es ihm gegenüber einem Älteren zustand, auch wenn er jetzt ein Ritter war.
Dann stand er auf, stieg über die Bank und ging zu dem Waffenständer, auf dem die Schwerter abgelegt waren.
Schlagartig herrschte Stille an der Tafel.
»Wenn es Euch beliebt, Jungsporn: Mein Name ist Humfried von Auenweiler. Und ich scherze, wie es mir gefällt.«
Der Auenweiler erhob sich ebenfalls und holte sein Schwert.
Da Graf Dietrich nicht eingriff, folgten seine Ritter den beiden, um sich den bevorstehenden Zweikampf anzuschauen.
Humfried ging voran. Ein paar Schritte weiter war bereits Platz frei geworden. Ein paar niedergedrückte Grasbüschel auf kargem Boden kündeten davon, dass hier kurz zuvor noch zwei Zelte gestanden hatten.
Im Gehen versuchte Thomas, seinen Gegner zu betrachten und sich eine Vorgehensweise zurechtzulegen. Das Manöver, mit dem er vor einiger Zeit Rutger besiegt hatte, konnte er hier nicht anwenden; dafür war Humfried zu groß, und seine Schultern waren zu breit.
Wenn er sich nicht blamieren wollte, musste er noch während des ersten Angriffs erkennen, was der andere plante.
Die beiden stellten sich gegenüber auf, umringt von den anderen wettinischen Rittern. Ein paar Knappen, die ebenfalls zuschauen wollten, wurden zurück an ihre Arbeit gescheucht. Wiprecht, der graubärtige Lanzenführer, trat einen halben Schritt vor und eröffnete den Kampf durch ein Handzeichen.
Sofort griff der Auenweiler mit einem Oberhau an, aber Thomas wich mit einem schnellen Schritt zur Seite aus, ohne selbst zurückzuschlagen. Auch dem zweiten Angriff wich er aus, ebenso dem dritten.
»Jetzt verstehe ich Eure Stärken: Ihr seid ein Meister im Davonlaufen«, höhnte Humfried. »Das ist natürlich nur angemessen, wenn man mit dem Schwert nichts anzufangen weiß.«
»Ihr seid zu langsam für mich«, reizte ihn Thomas – ziemlich unklug nach Auffassung der Ritter um ihn herum, wie er deren zurechtweisenden oder bedenklichen Rufen entnahm. Nur einige lachten. Doch Thomas hatte keinen Blick für die Zuschauer, sondern ließ seinen Gegner nicht aus den Augen.
Der trat nun einen halben Schritt näher und betrachtete den Widersacher mit leicht zusammengekniffenen Augen. Dann nahm er das Schwert in beide Hände und holte aus – doch nicht gerade auf ihn zustürzend, sondern mit einem Halbschritt zur Seite, um Thomas den Weg abzuschneiden. Der erahnte die Bewegung des anderen bereits, bevor er sie sah, wich blitzschnell aus und ließ ihn erneut ins Leere laufen. Dann drehte er sein Schwert um und hieb dem anderen den Knauf so schwungvoll ins Kreuz, dass er zu Boden stürzte.
Mit Lachen und anerkennenden Rufen nahmen Dietrichs Ritter den unerwarteten Ausgang des Kampfes auf.
Thomas ging auf den Besiegten zu und reichte ihm eine Hand, um ihm aufzuhelfen.
Humfried schlug die Hilfe aus und rappelte sich allein hoch.
»Hinterlist!«, brüllte er. »Der Kampf ist noch nicht beendet!«
»Doch, das ist er«, widersprach Wiprecht mit der Autorität seines Alters. »Er hat Euch mit dem Schwert bezwungen – auch wenn es der Knauf und nicht die Klinge war.«
Verächtlich blickte Humfried zu Thomas. »Ihr habt ein Mal Glück gehabt, Jungsporn. Und ein zweites Mal, weil wir keine Zeit haben, die Sache zu Ende zu bringen. Aber tut mir den Gefallen und haltet Euch von mir fern, wenn wir gegen die Sarazenen kämpfen! Ich will keinen Mann in meinen Reihen wissen, der sein Heil in der Flucht sucht.«
Bevor Thomas etwas erwidern konnte, mischte sich Dietrich von Weißenfels ein.
»Humfried, Ihr seid ein schlechter Verlierer. Eines Ritters würdig wäre es, ihn zu seinem Sieg zu beglückwünschen, statt ihm Feigheit vorzuwerfen.«
Der Gerügte verneigte sich knapp vor dem jungen Grafen, der sich damit wohl zufriedengab. Denn nun erteilte Dietrich den Befehl, dass sich seine Ritter zum Aufbruch vorbereiten sollten. Die nächsten Wochen würden sie entlang der Donau durch Ungarn ziehen; der Kaiser und sein engstes Gefolge auf Schiffen, der Rest des Heeres zu Pferde und zu Fuß.
Der Befehl des Königs
D er Sommer war heiß in der Mark Meißen. Doch nicht nur deshalb schwitzte der Vogt der Freiberger Burg, als er an diesem späten
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