Der Fluch der Makaá
Aber nun gut. Wir würden sehen…
Die Frage, wann wir zu unserem nächsten Ziel aufbrechen würden, war rasch geklärt: Noch heute.
Unser Bündel Kleider und der Rucksack waren schnell zusammengepackt und noch vor der sengenden Mittagshitze standen wir gestiefelt und gespornt vor unserer Hütte. Mateo meldete sich an der Rezeption ab. Während wir auf ihn warteten, ging neben uns in der Nummer 8 die Tür auf. Bley trat pfeifend ins Freie und machte eine kleine Verbeugung, als er uns sah. Er trug ein ärmelloses, graues Shirt, das am Rücken und Bauch durchgeschwitzt war. Seine Rastazöpfe hatte er mit einem Gummi zusammengebunden, aus dem sich vereinzelt Strähnen zu befreien suchten. Dunkle Bartstoppeln besprenkelten sowohl das Kinn als auch die obere Lippenpartie, die zu einem süffisanten Lächeln gekräuselt war. Mit klaren Augen und stillem Interesse ließ er den Blick über unsere Sachen wandern.
„Ihr habt gepackt?“, fragte er und ich vernahm deutlich den enttäuschten Tonfall, auch wenn er sich Mühe gab ihn zu vermeiden.
„Ja, wir ziehen weiter“, sagte ich.
Er nickte mit niedergeschlagenem Blick. Doch plötzlich veränderten sich seine Gesichtszüge und sie nahmen ein fast jungenhaftes Aussehen an. „Ihr wollt nach Santa Elena, nicht wahr? Habt ihr vor, über die brasilianische Grenze zu gehen?“
„Quatsch“, lachte Oliver. „Was sollen wir denn dort?“
Bley überlegte einen Moment und tippte sich dabei mit dem Finger gegen die Nasenspitze. „Dann wollt ihr zum Salto Yuruaní?“
„Nein“, sagte Robert knapp und versuchte, das Gespräch damit zu beenden. Auf keinen Fall sollte jemand erfahren, wohin es uns zog, das hatten Mateo und Robert mit uns ausgemacht. Gerne hätte ich Bley eingeweiht, denn auf seine skurrile, wilde Art war er mir irgendwie sympathisch. – Und ich hatte Menschenkenntnis genug, um zu wissen, ob jemand ein guter oder ein schlechter Umgang für mich war! Dazu brauchte ich keinen Robert und erst recht keinen Mateo! – Bley überlegte weiter; ich nehme an, er klapperte gerade im Kopf sämtliche Touristenziele in der Umgebung ab.
Unterdessen kam Mateo von der Rezeption zurück. Er schleppte schwer, denn in seinen Armen trug er einige zusammengerollte Stoffrollen, über die er kaum hinweg gucken konnte. Mit einem Seufzer legte er sie vor unsere Füße. Es waren vier Schlafsäcke, allesamt abgenutzt, grün kariert und mit einem Stück Seil zusammengebunden. „Die hab ich von der Pension ausgeliehen. Damit wir nicht die ganze Zeit auf nacktem Boden schlafen müssen“, erklärte er freudig.
Als er Bley erblickte, warf Mateo ihm einen gerade noch so freundlichen Blick zu, dass er nicht zu kühl wirkte. Bley betrachtete sehr lange die Schlafsäcke. Dann huschte ein Schimmer über sein Gesicht. „Ah“, machte er und legte wissend den Kopf schief. „Jetzt weiß ich, wohin ihr wollt! Der Roraima Tepuy – stimmt es, oder habe ich recht? Liegt nicht ganz auf der Touristenroute, aber ist auch ein gutes Ziel. Nicht schlecht, Leute. Ihr seid ja ganz schön abenteuerlustig!“
„Hör zu, Bley“, sagte Mateo in einem Tonfall, der für klare Verhältnisse sorgen sollte. „Wir haben uns sehr gefreut, dich kennen zu lernen (– irgendwann waren wir dazu übergegangen, Bley zu duzen, was diesem wesentlich besser zusagte als Förmlichkeiten –) und es war sehr nett von dir, dass du uns zum Jaspisfluss mitgenommen hast. Aber hier trennen sich unsere Wege. Also, leb wohl.“
Er half Oliver, den Schlafsack zu schultern – jeder von uns trug seinen eigenen – und folgte dann ohne Zeit zu verlieren zielstrebig dem Pfad, der aus dem Dorf hinaus führte.
„Jetzt wartet doch mal“, rief Bley und hechtete hinter uns her. „Ihr wollt also tatsächlich zum Tafelberg? Das trifft sich super. Ich wollte morgen auch dahin fahren. Wenn ihr also noch einen Tag warten wollt, dann können wir dies doch alle zusammen tun!“ Oliver und ich blieben stehen, während Mateo und Robert unbeeindruckt weiterliefen. Stinksauer war ich, dass sie nicht eine Sekunde warten konnten! Bleys Angebot war verlockend! Zwar würden wir einen Tag verlieren, aber dadurch viele weitere gewinnen. Bley hatte ein Auto! Wenn schon nicht den Aufstieg, so konnten wir uns doch wenigstens den Weg zum Tafelberg sparen, der mit Sicherheit zwei Tage in Anspruch nehmen würde.
Als hätte Mateo meine Gedanken erahnt, blieb er plötzlich stehen und drehte sich nach mir um. Wortlos, aber unerbittlich schüttelte er den
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