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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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zwischenzeitlich nachgelassen. Es war ersetzt worden durch einen undefinierbaren Klumpen, der sich hart und störend anfühlte, als hätten sich Fäden unter dem Einfluss von Adrenalin, der Anspannung und der ständigen Sorge, dass etwas schief laufen könnte, zu einem Knäuel verdichtet. Jetzt kehrte das Kribbeln zurück, und ich weiß nicht, ob die Makaá allein der Grund dafür waren.
    „Wie viel Zeit bleibt uns noch?“, erkundigte sich Mateo. Robert überschlug die Ereignisse und ordnete sie Tagen zu. Es waren erst zwei vergangen. Wir waren alle überrascht darüber. „Nun ja, zehn bis zwölf Tage maximal. Aber gehen wir lieber von wenigeren aus“, verkündete mein Bruder.
    „Und wisst ihr schon, wo es als nächstes hingeht?“
    Natürlich nicht! Alle Gedanken, die meine Brüder und ich uns bisher über das Zeichen gemacht hatten, fischten im Trüben. Sie reichten vom stilisierten Boot bis zur Wanne. Wortlos malte ich mit dem Zeigefinger das Zeichen in den Sand. Wir hatten uns ein wenig vom Dorf entfernt, um alle Einzelheiten abhörsicher zu besprechen. Die Luftfeuchtigkeit war beinahe unerträglich und die Kleidung klebte an unserer Haut. Die Sonne brannte hinter einer diffusen Wolkendecke und ließ die Erde auf kleiner Flamme schmoren. Mateo wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrachtete das Zeichen lange und gründlich.
    „Erkennst du etwas?“, fragte Oliver. Der Indianer runzelte die Stirn. „Sieht aus wie eine Wanne, oder ein Kessel…“, murmelte er, „Aber das ergibt keinen Sinn.“
    Die einsetzende Stille des Schweigens wurde gestört durch das lästige Gesumme kleiner Puri-Puri-Fliegen, die sich nach Herzenslust an unserem Blut labten. Das war das richtige Wetter für sie. In der heißen, schwülen Luft fühlten sie sich total wohl und drehten munter auf. Gerade als ich meinte, unter ihren hitzigen Attacken wahnsinnig werden zu müssen, tat Mateo etwas Merkwürdiges. Es war ebenso simpel wie normal, doch keiner von uns, weder ich noch einer meiner Brüder war darauf gekommen: Mateo lief einen Halbkreis um das in den Sand gemalte Zeichen und wechselte die Perspektive. Nun war es kein Kessel mehr, sondern sah folgendermaßen aus:

    Mateo blinzelte in die Ferne und plötzlich lächelte er. „Unser Ziel heißt Roraima.“
    Weit hinter dem Dorf zeichnete sich ein dunkles Gebilde am Horizont ab. Es ruhte schwer auf der Erde, doch seinen wuchtigen Körper streckte es dem blanken Himmel entgegen. Es wirkte fremd und nicht von dieser Welt, dabei entstammte es gerade aus ihrem tiefsten Schoß. Ein stummer Zeuge einstiger Urgewalten: ein Tafelberg!
    So tief wie die erste, so hoch ist die zweite.
    Steig in die Wolken, in die endlose Weite.
    Welcher Himmel gemeint ist, das finde heraus!
    Ein Tafelberg! Das hatte die Stimme also gemeint, als wir mit dem Pick-up nach San Francisco gefahren waren.
    „Ich hab doch geahnt, dass es gut sein würde dich im Boot zu haben!“, lachte ich erfreut. „Wahrscheinlich hätten wir noch ewig gebraucht, bis wir es herausbekommen hätten!“
    „Na ja, ich weiß nicht“, meinte Mateo bescheiden, doch seine Augen blitzten stolz.
    „Wie lange dauert es von hier bis zu den Bergen?“, fragte Robert.
    „Nun ja, wenn alles gut läuft, dann könnten wir in etwa drei Tagen den Gipfel erreichen.“
    „Was?“, rief ich erschrocken, und hoffte, mich verhört zu haben. „Drei Tage? So lange? Wir müssen doch auch wieder zurück, nicht wahr? Das heißt, wir benötigen eine ganze Woche für diesen einzigen Berg?“
    „Haben wir denn eine Wahl?“, fragte Mateo leise.
    „Wir hätten dann immer noch ein wenig Zeit, um den Rest des Weges zu gehen“, rechnete Robert nach. „Und wer weiß, vielleicht brauchen wir das nicht einmal. Vielleicht sind die geheimen Hallen bereits dort!“
    Dankbar lächelte ich meinen Bruder an. Ich war so darauf fixiert gewesen, dass auf jedes erreichte Etappenziel ein neues folgen würde, dass mir noch gar nicht in den Sinn gekommen war, dass einer dieser Orte der letzte sein konnte, ja, dass der Weg einmal ein Ende haben würde! Robert mochte recht haben. Gäbe es einen besseren Platz für die geheimen Hallen als auf einem Tafelberg – der Wohnung der Götter? Die Makaá waren übermenschlich, sie konnten sich mit nichts geringerem zufrieden geben. Ja, je mehr ich darüber nachdachte, desto überzeugender wurde der Gedanke. Der einzige Haken, der mich noch immer irritierte war der, dass von Hallen die Rede war, nicht von einem Gipfelkreuz.

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