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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Form eines Eis. Tatsächlich entsprach auch das Gewicht mehr dem eines kleinen Steins. Doch all dies täuschte: es handelte sich trotz allem um ein rohes Ei und das war zerbrechlich. Also Vorsicht Mel…
    Bley ließ seine grauen Augen zwischen unseren Gesichtern und dem seltsamen Fund hin und her wandern. Schließlich ergriff er das Wort. „Also gut, Leute“, sagte er. „Ich glaube, wir haben jetzt lange genug dieses Ding angestarrt. Wenn wir darauf warten, dass es uns sein Geheimnis von selbst verrät, dann sitzen wir hier noch bis zum Sankt-Nimmerleinstag. Haben die Makaá euch denn gar keinen Hinweis gegeben, wie es weitergehen soll?“
    Robert kramte in seinem Rucksack und warf Bley den Skizzenblock zu, in den er die Zeilen eingetragen hatte, die uns aus dem Traum in Erinnerung geblieben waren. „Das ist alles, was wir haben. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn du die Verse mal durchliest. Schließlich bist du der einzige, der objektiv an die Sache rangehen kann. Mag sein, dass dir etwas dazu einfällt.“
    Bleys Augen blitzten kurz auf, als Robert das Wort „objektiv“ fallen ließ und um seine Mundwinkel spielte ein kaum merkliches Lächeln, das mir aus einem unerklärlichen Grund überhaupt nicht gefiel. Der Mann mit der wirren Rastafrisur nahm den Block an sich und überflog die Zeilen, indem er immer wieder den Blick über die Klippe des Roraima Tepuy hinaus auf die Ebene lenkte, ohne dabei irgendetwas bestimmtes anzusehen. Dieses Ins-Leere-Blicken gehörte wohl zu seiner Art nachzudenken und sich einen Reim auf etwas Unbekanntes zu machen, gleichwie es Roberts Art war, sich durch das Haar zu fahren.
    Als er nach ein paar Minuten sich noch immer nicht zu den Zeilen geäußert hatte, stand Mateo auf und lief ein paar Mal auf und ab.
    „Im Urgesteine dieser Welt… Nicht auf dem Berg, nicht in dem Tale…“, flüsterte er vor sich hin. „Vielleicht sollten wir hier den Hinweis suchen. Nicht auf dem Berg – das heißt schon mal: nicht hier . Und auch nicht im Tale. Am Fuß des Roraima kann es also auch nicht sein. Ich glaube fast, wir müssen diesen Ort ganz hinter uns lassen. Die Hallen der Makaá sind woanders.“
    „Sie können aber doch schlecht in den Ebenen sein“, warf ich ein. „Die Gran Sabana bietet nicht viele Möglichkeiten, geheime Hallen zu beherbergen – zumindest so weit wie ich das beurteilen kann. Und was ist bloß mit dem Urgestein gemeint? Es muss doch was mit Felsen zu tun haben, etwas Solidem, Festem… etwas, was es schon seit Urzeiten gibt…“
    „Fast alles in Venezuela gibt es schon seit Urzeiten, und beinahe jeder Stein, über den du stolperst, gehört zu dem Urgestein. Diese Bezeichnung haben die Makaá sehr vage formuliert“, entgegnete Mateo.
    „Warum fangt ihr bei euren Überlegungen nicht von vorne an?“, fiel Bley uns plötzlich ins Wort. „Guckt doch: hier steht es gleich am Anfang:
    Des weichen Kernes harte Schale
    Weist euch die letzten Schritte .
    Also: es geht nicht darum, Berge und Täler auszuschließen, es geht um den weichen Kern von diesem Ding hier!“ Er wies auf das kleine Ei, das auf einem zum Teil mit Grasbüscheln bedeckten Felsen ruhte.
    „Du meinst, es geht um Eiweiß und Dotter?“, kicherte Oliver.
    „Ja, vielleicht!“, rief Bley eifrig und mit großen Augen. Mit einem Mal war Leben in ihn gekommen, und es schienen Dinge Sinn für ihn zu machen, wo sie noch keinen für uns ergaben. „Vielleicht sogar besonders um den Dotter!“, fuhr er fort. „Denkt mal ganz einfach und nicht so kompliziert: was fällt euch zu Eiern ein?“
    Diese Frage hätte er nicht stellen dürfen. Meinen Brüdern und mir lief das Wasser im Mund zusammen, als wir Rührei, Spiegelei, Omelette und alle Möglichkeiten von Eierkreationen vorschlugen. Bley konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
    „Okay“, rief er. „Und wenn ihr jetzt mal nicht ans Essen denkt, sondern an Eier in ihrer herkömmlichen Funktion?“
    „Es schlüpfen Küken daraus!“, krähte Oliver und Bleys Augen verrieten, dass mein kleiner Bruder den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
    „Genau. Wir müssen also nur noch herausfinden, welches Küken aus diesem Ei schlüpft. Mateo, du bist doch der Indianer hier! Was für ein Vogelei kann das wohl sein?“
    „Rotglühende Vögel sind mir in Venezuela nicht bekannt“, erwiderte Mateo knapp, aber seine Stimme verriet, dass er Bley durchaus zutraute, in diesem Fall auf dem richtigen Weg zu sein.
    „Und wenn du das rote Glühen von vorhin

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