Der Fluch der Makaá
der Ladefläche des Pick-ups zu verstauen, derweil sich Tony mit dem Piloten unterhielt. Während wir uns zwischen Bobs Koffer zwängten, stieg er fröhlich auf der Beifahrerseite ein, zog ein weißes Tuch aus der Brusttasche seines Hemdes und rieb die Gläser einer schicken Sonnenbrille sauber. Ein paar Mal setzte er sie sich auf die Nase, nur um sie kurz darauf wieder abzunehmen und noch einmal zu bearbeiten. Als er genügend Durchblick zu haben schien, steckte er die Brille in die Hemdtasche. Durch die Fensteröffnung hatten wir ihn bei der seltsamen Prozedur beobachtet und uns im Stillen über den Mann gewundert. Ganz unerwartet drehte er sich um und strahlte uns mit einem gewinnenden Lächeln an.
„I’m Bob“, ließ er nun auch uns wissen „And you guys are…?“
In meinem besten Englisch stellte ich meine Brüder und mich vor, ohne jedoch unseren Nachnamen zu nennen – schließlich war Bob auch nur Bob – und ließ ihn wissen, dass wir aus Deutschland kamen.
„Oh“, machte Bob und seine hellblauen Augen funkelten, sodass er jugendlicher wirkte als er eigentlich war. Obwohl es mir schwer fiel, sein Alter zu schätzen – sein junges Gesicht stand im Kontrast zu den weit fortgeschrittenen Geheimratsecken und zu den grauen Fäden, die sich bereits durch das hellbraune Haar zogen – so vermutete ich doch, dass er zwischen Anfang und Mitte dreißig war. Wie es sich herausstellte, war Bob’s Großmutter Deutsche gewesen, er selber sei aber Amerikaner, wie er uns versicherte. Ein paar Brocken Deutsch seien hängen geblieben, aber „es seien nischt very good“.
In einer etwas holprigen Unterhaltung, in der wir wild Deutsch und Englisch durcheinander wirbelten, erfuhren wir, dass Bob für Forschungsarbeiten nach Venezuela gereist war. Als Völkerkundler würden ihn besonders die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Grenzregionen interessieren, wie zum Beispiel in Santa Elena de Uairén, in dessen Nähe Venezuela auf Brasilien trifft. Er würde einige Monate lang dort verbringen und anschließend eine Arbeit darüber schreiben. Mit leuchtenden Augen erzählte er ohne Punkt und Komma, was er alles zu tun gedachte und verriet uns, dass er insgeheim hoffte, so gute Ergebnisse zu erhalten, dass er sie veröffentlichen könne.
„And what about you guys? Was ihr machen in Venezuela?“, fragte er, nachdem wir seine komplette Lebensgeschichte samt seinen Zukunftsvisionen gehört hatten. Verlegen schaute ich meine Geschwister an und Oliver zog eine Grimasse. „Wir, ähm“, begann ich etwas zögerlich, während ich nach einer guten Ausrede suchte. „Wir…“
„Wir sind Mateos Prüfungsvorbereitungen“, krähte Oliver fröhlich und Robert und ich nickten erleichtert.
„Genau“, stimmte ich zu. „Mateo wird einmal ein toller Reiseleiter. Er wird seiner zukünftigen Kundschaft Venezuela von einer ganz anderen Seite zeigen. Einer – ganz – neuen – Seite.“
„Ah, what a great idea!“, staunte Bob und nickte Mateo anerkennend zu. Mit dem Finger tippte er sich zweimal gegen die Stirn und grinste. „I’ll keep that in mind, you know. Maybe I’ll join one of your tours someday! Sounds like fun!”
Tony und der Pilot hatten ihr Gespräch beendet. Während Tony auf der Fahrerseite einstieg und den Motor startete, lief der Pilot zurück zu seinem Flugzeug, kletterte die wenigen Stufen hoch und zog die Leiter wieder ein.
Ein paar Minuten später, wir befanden uns wieder auf der Landstraße, donnerte das Sportflugzeug über unsere Köpfe hinweg, zog wie zur Verabschiedung eine Schleife und drehte wieder in Richtung Cumana ab.
Bob kam mit Tony sofort ins Gespräch und erzählte auch ihm mit großem Eifer seine ganze Geschichte. Da wir den Großteil ja bereits kannten, hörten wir nur mit halbem Ohr zu.
Oliver und Robert hatten auf den dicken Koffern Platz genommen und staunten nicht schlecht über die gute Federung, wenn Tony uns mal wieder durch ein Schlagloch lenkte. Mateo hatte die Augen geschlossen und war in Gedanken wer-weiß-wo oder schlief sogar. Verdenken konnte ich es ihm nicht. Er hatte die ganze Nacht und den halben Tag durchwacht, und auch ich, obwohl ich ein paar Stunden Erholung gehabt hatte, fühlte mich plötzlich unendlich müde. Die Ereignisse des frühen Vormittages, die Aufregung in der Höhle und die unheimliche Begegnung mit den einäugigen Fröschen steckten mir noch tief in den Knochen und bedurften noch reichlich der Verarbeitung. Eine Weile starrte ich in die
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