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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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gestohlenen Matisse – Rätselraten um verschollenes Kunstexpertenpaar aus Deutschland geht weiter
    Meine Brüder, die aus ihren Hängematten gekrochen waren und über meine Schultern blickten, atmeten scharf ein. Ich schluckte. Bley sah uns erwartungsvoll an, beinahe lauernd – wie ein Raubtier… Traue keinem!
    Ich hob das Kinn und blickte dem Mann unverfroren ins Gesicht. „Und?“, fragte ich mit etwas zu hoher Stimme.
    „Nichts und“, erwiderte Bley grinsend und hob die Schultern. „Ich hatte gesagt, ich würde den Artikel für dich raussuchen, und das habe ich getan. Da steht alles genau drin, vom Kunstraub in Caracas, vom deutschen Ehepaar… Ich habe ihn gestern noch mal gelesen. Es ist übrigens auch die Rede von drei Kindern, die bei dem Unglück dabei gewesen sein sollen – aber sicher ist sich da niemand. Es ist sowieso ein merkwürdiges Hickhack: erst heißt es, es gibt keine Anzeichen, dass die Leute überhaupt jemals venezolanischen Boden betreten haben, und dann… Nun ja, hier ist die Zeitung. Was du damit machst, überlass ich dir. Aber damit du’s weißt: Bley hält seine Versprechen.“ Er warf einen vielsagenden Blick in die Runde und nickte jedem von uns bedeutungsvoll zu.
    „Sie kommen also allen Ernstes im frühen Morgengrauen her, um uns einen Zeitungsartikel zu bringen?“, fragte Mateo. Witterte er den Wolf im Schafspelz ebenso wie ich?
    „Nun ja, ich hatte es nicht wirklich weit – ich wohne direkt nebenan“, entgegnete Bley augenzwinkernd. „Und außerdem stimmt es nicht ganz. Ich bin nicht hergekommen, um euch einen Zeitungsartikel zu bringen – sondern zwei!“ Aus seiner hinteren Hosentasche zog er ein zerknülltes Stück Papier hervor und glättete es unbeholfen, bevor er es mir reichte. „Das stand heute Morgen in der neusten Ausgabe. Ich habe die Zeitung noch nicht durch, deswegen habe ich nur die halbe Seite hier mitgenommen“, fügte er entschuldigend hinzu. Ich las die Übersetzung, die Bley – diesmal mit blauem Kuli – wieder unter den Originaltitel geschrieben hatte:
    Tragisch – Deutsche Familie stirbt im venezo-lanischen Dschungel.
    „Es ist die Fortsetzung zum anderen Bericht“, erklärte Bley. „Und das meinte ich auch mit dem Hickhack! Schaut: Wie es aussieht, war doch die ganze Familie bei dem Unglück dabei. Man hat eine verkohlte Flugzeugtür gefunden – das einzige, was von der Maschine übrig geblieben ist. Das Überraschende ist, dass die Familie nicht schon beim Absturz ums Leben gekommen ist. Man fand die fünf Leichen etwa einen Kilometer von der Absturzstelle entfernt im tiefsten Dickicht! Die genaue Todesursache ist noch nicht bekannt, aber sie sind vermutlich den schweren Verletzungen erlegen. Hinzu kommt, dass sie weder Wasser noch Nahrung hatten.“
    „Fünf Leichen…“, wisperte ich und ließ die Hände mit dem Artikel kraftlos in den Schoß sinken. Meine Brüder starrten mit blassen Gesichtern fassungslos vor sich hin. Oliver schüttelte ungläubig den Kopf, sagte aber keinen Ton.
    „Ja, es ist furchtbar, nicht wahr?“, sagte Bley mitfühlend und senkte die Stimme. Ein wehmütiger Ausdruck lag in seinen Augen und er seufzte tief. „Wirklich erschütternd solche Berichte. Und der jüngste Sohn war gerade erst acht…“
    „Die armen Leute“, sagte Mateo monoton. Bley nickte bekümmert. „Und wie! Die Verbrecher kommen unbeschadet davon, und die ehrenwerten Leute müssen mal wieder dran glauben. Ich sag’s euch Kinder: Auf dieser Welt gibt es keine Gerechtigkeit.“ Schweigend blickte er in die Runde und wirkte auf einmal sehr verlegen. „Aber was mach ich denn nur… Jetzt bringe ich schon am frühen Morgen so viel Trübsal in die Hütte. Verzeiht mir, liebe Freunde, das war bestimmt nicht meine Absicht. Ich dachte, die Geschichte würde euch interessieren, eigentlich wollte ich, nun ja, egal was ich wollte, ich sehe schon, ich hab es mal wieder vermasselt. Also, am besten ich gehe dann mal wieder. Wenn ihr mich braucht, ich bin nebenan. Aber was rede ich denn da, ihr werdet mich sicherlich nicht brauchen, aber falls doch, dann…“ Er hob unsicher die Hand und zog sich beinahe schwankend zurück. Er wirkte in sich zusammengesunken und trotz seines verwegenen Aussehens verletzlich. Als er unter dem Türrahmen verschwand, tat er mir auf einmal richtig leid.
    Traue keinem – schön und gut, aber Bley schien sich in der Tat nichts Böses dabei gedacht zu haben, uns die Artikel zukommen zu lassen. Er konnte ja nichts dafür,

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