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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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Zweifel. Noch immer hörte sie Bills Lachen, seine beruhigende Stimme, sie spürte seine Fürsorge und seine Lebensfreude und wusste, dass er sie bis an ihr Lebensende begleiten würde.
    Wie gern hätte sie all ihre Empfindungen mit ihm geteilt und ihm von alldem erzählt: von seiner wunderbaren Großmutter Melanie, seinem unglücklichen Vater Paul, der niemals lachte und ihre Granny einst angespuckt hatte - aber auch von dem grausamen Mord!
    Kate ahnte nun, warum Paul McLean Frauen so abgrundtief verabscheute. Er glaubte wahrscheinlich wirklich, was ihm sein Vater Philipp über seine Mutter Melanie eingetrichtert hatte. Hatte er deshalb einen Meineid für seinen Vater geschworen?
    Ich glaube nicht, dass Paul McLean Zeuge des Mordes gewesen ist. Wahrscheinlich hat er wegen dieser Lüge all die Jahre an seinem Hass auf seine Mutter als der Alleinschuldigen festhalten müssen. Und an dem Hass auf die Frau, die Melanie angeblich dazu gebracht hatte, sich ihrem Mann zu widersetzen, meine Granny, sinnierte Kate. Ihr war klar, dass Paul sie ablehnte, seit er wusste, wessen Enkelin sie war. Deshalb verfolgte er sie mit unerbittlichem Hass.
    Wenn Bill nur wüsste, wie sich unsere Geschichten einst berührt haben!, ging es Kate durch den Kopf. Sie bedauerte zutiefst, dass er nie mehr erfahren durfte, was für eine wunderbare Frau seine Großmutter gewesen war. Unser Kind ist sowohl ein Nachkomme von Anna Peters als auch von Melanie McLean! Obwohl der Gedanke tröstlich war, durchrieselte es sie nun eiskalt. Da war dieser Fluch, der verdammte Maorifluch. Sie hatte diese Stellen in Annas Tagebuch alle nur ungeduldig überflogen. Als könne sie so das Verhängnis abwenden. Ihr Verstand weigerte sich, an diesen Unsinn zu glauben, doch nun klopfte ihr Herz zum Zerspringen. Sie würde ihr Kind verteidigen wie eine Löwin!
    Als Kate nach dieser durchwachten Nacht am frühen Morgen ein Ziehen im Unterleib spürte, betete sie darum, ihr Baby behalten zu dürfen. Ihr war immer noch entsetzlich kalt. Sie bebte vor Schüttelfrost und wurde im selben Moment von Hitzeschüben überwältigt. Stechende Schmerzen in der Brust raubten ihr den Atem.
    Immer wieder dachte sie an den Fluch. Als die Schmerzen unerträglich und die Kälte immer eisiger wurde, flüsterte sie die Worte, die Granny auf dem Sterbebett geraunt hatte: »Unsere Familie soll leben!«
    Übelkeit stieg in Kate auf. Der Gedanke, dass es allein von ihr abhing, ob Christians Familie leben oder sterben würde, senkte sich wie eine schwere Last auf sie, die sie zu erdrücken drohte.
    Du bist stark, hat Granny gesagt. Außerdem hab ich's ihr versprochen. Ich muss dieses Kind bekommen, redete sie sich gut zu, aber als die Schmerzen und die Kälte- und Hitzeschübe unerträglich wurden, gab Kate den Kampf auf. »Wenn es den Fluch gibt und er mir mein Kind nimmt, dann bin ich machtlos. Aber wenn das Kind leben darf, dann werde ich ihm eine gute Mutter sein, die nicht trübsinnig nach ihrem Mann weint, sondern ihm eine unbeschwerte Kindheit schenkt. Wenn dieses Kind überlebt, dann haben wir den Fluch für immer besiegt!«, stöhnte sie mit letzter Kraft.
    Als Nora am Morgen ans Bett ihrer Schwägerin trat, war diese schweißgebadet und murmelte nur wirres Zeug. Nora rief sofort nach einem Arzt.
 
    Fünf Tage und fünf Nächte wachte Nora am Bett ihrer Schwägerin, tupfte ihr den Schweiß von der Stirn, wusch sie und wickelte sie in feuchte, kühle Tücher, um das Fieber zu senken. Kate hatte eine Lungenentzündung und befand sich in einer Art Dämmerzustand.
    Am sechsten Morgen schlug Kate die Augen auf und fragte sich, wo sie sich befand, als sie Nora entdeckte. Erschöpft war sie auf ihrem Stuhl eingeschlafen. Kate betrachtete ihre Schwägerin dankbar. Sie ahnte, was Bills Schwester für sie getan hatte. Dann strich sie sich sanft über den Bauch. Sie musste nicht fragen, was mit ihrem Kind war. Sie wusste, dass es überlebt hatte, denn der Spuk war vorüber. Ihr war, als hätte sie gegen Dämonen gekämpft und diese schließlich besiegt.

 
Dunedin, im Dezember 1915
 
    Als in der Princes Street Bill John McLean, ein kräftiger Junge mit einer lauten Stimme und einem dunklen Haarschopf, das Licht der Welt erblickte, war die Freude groß. Wenn Kate nicht längst entschieden hätte, ihren Sohn nach seinem Vater und dem Großvater mütterlicherseits zu nennen, sie hätte es spätestens jetzt getan. Der kleine Wurm ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, dachte Kate

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