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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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den Staub von der schmucklosen Kiste, die eine Reklame für Pfeifentabak zierte, und öffnete sie. Gebannt blickte sie auf ein Foto, das auf einem Stapel vergilbter Briefe lag. Es zeigte einen gut aussehenden, blond gelockten Mann mit längerem Haar. Er trug ein Polohemd und eine helle Hose und lehnte lässig am Pfeiler einer Veranda, in der Hand eine Pfeife. In seinem Blick lag etwas Überhebliches.
    Wer war dieser Kerl? Sollte sie die Briefe lesen, um das Rätsel zu lösen? Nein, sie hatte genug mit Emmas Aufzeichnungen zu tun.
    Entschlossen legte Sophie das Foto zurück und klappte den Deckel wieder zu. Dann schob sie die Kiste zurück unters Bett.
    Noch einmal juckte es sie in den Fingern, nach Emmas Geschichte zu greifen, damit das Rätselraten endlich aufhörte. Seufzend widerstand sie der Versuchung. Der Tag war noch jung. Bis Judith zurückkam, würde sie sich in Kates weiteres Schicksal vertiefen.
    Bevor sie zu lesen begann, fragte sie sich: Wer mochte Emmas Geschichte gestohlen und nun zurückgebracht haben? Steckte wirklich dieser Tom dahinter? Sophie spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, sich John anzuvertrauen. Die schwangere Judith durfte sie auf keinen Fall beunruhigen. Kein Wort zu ihr von dem mysteriösen Fund auf der Veranda!, schwor sie sich. Und vor allem musste sie ihrer Freundin verschweigen, dass sie wieder einen schwarzen Jeep hatte davonrasen sehen.

 
Dunedin, im Juni 1915
 
    Als Kate zu sich kam, saß Nora an ihrem Bett. Sie schreckte hoch und fragte mit bebender Stimme: »Was ist mit dem Kind?«
    »Dem Baby geht es gut«, schniefte sie.
    Kate ließ sich erschöpft zurück in die Kissen fallen. Er wird weiterleben! Mein Bill wird in unserem Kind weiterleben, dachte sie.
    Nora strich ihrer Schwägerin durch das Haar und murmelte: »Er hat niemanden so geliebt wie dich!«
    »Ich weiß«, flüsterte Kate und nahm Noras Hand, bevor sie in lautes Schluchzen ausbrach. Nun weinten beide Frauen um Bill, den jede auf ihre Weise von Herzen geliebt hatte.
    Ein Gepolter an der Tür störte ihre Trauer. Paul McLean torkelte ins Zimmer. Er schien schwer betrunken zu sein, denn er lallte: »Du bist genauso eine Hexe wie die Alte. Du hast meinen Sohn auf dem Gewissen. Nur du allein. So wie deine Großmutter ihren Mann. Du hättest ihm niemals erlauben dürfen zu gehen.« Mit diesen Worten stürzte er sich auf Kate, aber Nora sprang auf und verhinderte im letzten Augenblick, dass er handgreiflich wurde. Sie warf sich gegen ihn und versuchte, ihn aus dem Zimmer zu drängen, doch er wehrte sich heftig.
    In ihrer Not schrie Nora lauthals nach Peter. Er kam sofort herbeigeeilt und hielt seinen Schwiegervater unter lautem Fluchen fest. Gegen den kräftigen Peter hatte der alte Mann keine Chance, obwohl er um sich schlug und brüllte: »Du Mörderin! Elende Mörderin!«
    Peter schleifte Paul schließlich aus der Tür, und Nora ließ sich erschöpft auf der Bettkante nieder.
    »Er hat noch nie getrunken«, seufzte sie. »Vater war stets überzeugter Abstinenzler. Großvater war ein Trinker, und deshalb hat Vater den Alkohol gehasst. Bill war sein Ein und Alles! Sein Tod bricht ihm das Herz!«
    »Ich weiß, dass Bill sein Ein und Alles war!«, erwiderte Kate schwach. Trotz aller Traurigkeit ging ihr einer seiner Sätze nicht aus dem Sinn. Du bist genauso eine Hexe wie die Alte. Was wusste er über Anna? Was für eine Verbindung, die über das Haus in der Princes Street hinausging, gab es bloß zwischen den beiden? Warum hasste er Granny so?
    Als Nora das Zimmer verlassen hatte, verspürte Kate plötzlich den unwiderstehlichen Drang, das Tagebuch ihrer Großmutter zu lesen. Sie würde ohnehin nicht schlafen können. Mit zitternden Knien stand sie auf und holte aus ihrem Nachttisch das schwarz eingebundene Büchlein hervor. Jetzt wusste sie, warum sie es nicht in Opoho gelassen hatte.
 
    Kate las die ganze Nacht hindurch, geschüttelt von Weinkrämpfen, wenn sie von Liebe und Tod lesen musste, die sie an ihren eigenen Verlust erinnerten. Der Schmerz, Bill für immer verloren zu haben, machte sie umso empfänglicher für das tragische Schicksal Annas. Je später es wurde und je tiefer sie in die Geschichte ihrer Großmutter vordrang, desto entrückter war Kate. Gegen Morgen fühlte sie sich leer und erschöpft; aber zugleich klammerte sie sich an den tröstlichen Gedanken, dass sie ihre Liebe hatte leben können, eine Liebe, die sie über Bills Tod hinaus stark machen und beschützen würde. Ja, es gab keinen

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