Der Fluch der Maorifrau
gerührt, als sie ihn zum ersten Mal im Arm hielt. Und ein bisschen von Großvater John hat er auch!
Auch Nora hatte sich sofort in den kleinen Kerl verliebt und verwöhnte Mutter und Kind wie eine Königin und ihren Prinzen. Dabei schwor sie ihrer Schwägerin, dass sie es ihr alsbald nachmachen würde. Sie wollte so gern ein eigenes Kind. Ein Wunsch, dessen Erfüllung ihr bislang versagt geblieben war.
Am dritten Tag nach Bill Johns Geburt drang eine laute Stimme in Kates Schlafzimmer.
»Sie muss ja auch nur so lange in Opoho leben, wie er ihre Betreuung braucht, und jetzt lass mich zu ihm!«, brüllte Paul McLean.
Kate warf einen prüfenden Blick auf die Wiege, die neben ihrem Bett stand. Bill John schlief süß und selig.
»Du wirst da nicht reingehen und sie mitnehmen. Nur über meine Leiche!,«, schrie Nora.
Kate zog sich ihren Morgenmantel über, schlüpfte in ihre Hausschuhe und trat auf den Flur, wo sich Vater und Tochter unversöhnlich gegenüberstanden. »Kate, ich erledige das schon. Leg dich ruhig wieder hin!«, befahl Nora streng.
Aber Kate fragte ihren Schwiegervater mit ruhiger Stimme: »Was führt Sie her?«
Paul wirkte plötzlich verstört. »Was mich herführt? Ich möchte meinen Enkel sehen!«
»Bitte! Aber nur, wenn Sie ganz leise sind. Er schläft gerade«, antwortete Kate.
Nora schüttelte den Kopf. Es war offensichtlich, dass sie das niemals erlaubt hätte.
»Keine Angst, Nora. Ich denke, er wird sich wie ein anständiger Großvater verhalten.« Damit öffnete Kate leise die Tür und ließ ihn eintreten.
Auf Zehenspitzen ging Paul McLean auf die Wiege zu. Sein hartes, unversöhnliches Gesicht bekam weiche Züge. »Bill!«, flüsterte er. »Mein kleiner Bill!«
Kate ließ ihn eine Weile gewähren, bevor sie ihn bat, ihr in den Salon zu folgen. Nora hatte vor der Tür Wache gehalten. Sie schien dem Frieden nicht so recht zu trauen.
»Worüber habt ihr euch vor meiner Tür gestritten?«, fragte Kate nun.
Paul McLean schwieg.
»Er verlangt, dass du mit Bill zu ihm nach Opoho ziehst!« Noras Stimme zitterte vor Aufregung.
»Niemals!«, erklärte Kate entschieden.
»Das habe ich ihm auch gesagt, aber er will nicht hören!«
Paul McLean funkelte seine Tochter wütend an. »Es ist mein einziger Erbe, er gehört in mein Haus, unter meine Obhut.«
»Aber ich möchte nicht unter Ihrem Dach leben. Sie hassen mich. Und ich weiß inzwischen auch, warum!«, entgegnete Kate fest.
Paul und auch Nora sahen Kate fragend an. »Ich habe inzwischen erfahren, dass eure und meine Großmutter beste Freundinnen waren, Nora. Eure Großmutter hat sich nicht umgebracht. Das ist eine infame Lüge. Sie ist ermordet worden. Als Melanie gegen die ständigen Misshandlungen durch ihren Mann Philipp aufbegehrte, hat er sie einfach erschlagen. Er hat behauptet, es sei ein dummer Unfall gewesen, und gehässige Gerüchte über seine Frau verbreitet. Melanie hätte ihn betrogen, und das nicht nur mit einem irischen Lehrer, sondern sogar mit einer Frau, mit meiner Großmutter. Doch das waren nur schmutzige Lügen. Dein Großvater wurde verurteilt, aber nur zu zwei Jahren Gefängnis. Dein Vater hat nämlich behauptet, er sei Zeuge des Unfalls gewesen -«
Da fühlte Kate einen brennenden Schmerz auf der Wange. Paul McLean hatte ihr mitten ins Gesicht geschlagen. Nora stand mit erhobenem Arm da, als drohten auch ihr Schläge.
»Ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet!«, zischelte Kate ihrem Schwiegervater zu.
»Du überlässt mir das Kind, du freches Weibstück! Du kannst meinetwegen verrecken. Ich werde dich nicht unter meinem Dach dulden, aber der Junge, der Junge gehört mir!«, schrie er.
Mit diesen Worten trat er entschlossen auf das Schlafzimmer zu, aber Kate war schneller. Sie warf sich schützend vor die Tür und fauchte: »Wagen Sie es nicht, mein Kind anzurühren!«
»Vater, sei vernünftig! Erlaube Kate und Bill, in diesem Haus zu leben, wenn wir fortgezogen sind. Dann wirst deinen Enkel sicher jederzeit besuchen dürfen. Nicht wahr, Kate?«, mischte sich Nora ein. Das klang ängstlich.
Ob auch er seine Kinder geschlagen hat? Dieser Gedanke durchfuhr Kate wie ein Blitz, und sie ballte die Fäuste. Ihr Kind würde er nicht zerstören. Seine brutalen Erziehungsmethoden hatten schon genug Schaden angerichtet.
»Kate, er darf Bill doch besuchen, oder?«
»Ja, das darf er!«, erwiderte Kate, während sie ihrem Schwiegervater kampfbereit gegenüberstand. Der zögerte, sie zur Seite zu
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