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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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grausames Schicksal wie ich erleiden muss. Sie wird - dafür werde ich von nun an täglich beten - niemals heiraten. Ihr soll der Schmerz erspart bleiben, der einer Mutter das Herz bricht, wenn sie die eigenen Kinder überlebt.

 
Dunedin, 31. Dezember 2007
 
    Sophie wachte an diesem Morgen früh auf. Die Manuskriptseiten lagen neben ihr verstreut im Bett. Offenbar war sie irgendwann in der Nacht darüber eingeschlafen.
    Zögernd stand sie auf und zog die dunklen Vorhänge, die nur wenig Licht hindurchließen, beiseite. Sie musste unwillkürlich blinzeln. Die Sonne, die in das Zimmer strahlte, war so hell und einladend, dass Sophie beschloss, den Rest des Tages draußen zu verbringen und sich von der Sonne wärmen zu lassen.
    Sophie erkundigte sich an der Rezeption, wie sie am besten zum Strand gelangen konnte. Der freundliche Portier riet ihr zu einem Ausflug nach St Clair und gab ihr eine Karte. Sie fuhr mit dem Bus aus der Stadt hinaus und fand sich in einer Art Ferienort wieder, in dem ein reger Strandbetrieb herrschte. Sie musste unwillkürlich daran denken, dass Anna und John einst hier hinausgefahren waren, um sich am Pazifikstrand zu lieben. Nur das eine Mal!
    Sie drehte sich um. Seit sie die Stadt verlassen hatte, hatte sie schon wieder dieses seltsame Gefühl - als werde sie verfolgt. Doch so oft sie sich auch umschaute, sie konnte niemanden hinter sich entdecken. Meine Nerven sind überreizt, redete sie sich zu.
    Schließlich ließ sie sich ganz nah am Wasser im weißen Sand nieder und spannte den Schirm auf, den ihr der freundliche Portier gegen ihren erklärten Willen aufgedrängt hatte. »Vorsicht bei Ihrer hellen Haut!«, hatte er gemahnt. »Die Ozonschicht über uns ist löchrig wie ein Schweizer Käse, da kriegen Sie im Nu einen gefährlichen Sonnenbrand.« Jetzt war Sophie heilfroh über den Schutz, denn die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel, auch wenn die Hitze durch die Meeresbrise erträglich war.
    Sophie zog sich bis auf den Badeanzug, den sie bereits unter dem Kleid trug, aus und stierte eine Weile auf das glitzernde Wasser. Der Wind wurde immer schwächer, und sie spürte, dass ihr der Schweiß in Bächen den Rücken hinunterrann. Und wieder war da dieses Gefühl, beobachtet zu werden. Wie der Blitz fuhr sie herum und blickte in das erschrockene Gesicht eines braungebrannten Surfers.
    »Spionieren Sie mir nach?«, fuhr sie den Blondschopf an.
    »Sorry, aber ich habe Sie verwechselt. Sie sehen von hinten aus wie meine Freundin«, entschuldigte der Mann sich verlegen, bevor er mit seinem Kite-Board unter dem Arm eilig ins Wasser hüpfte.
    Ich glaube, ich sehe wirklich langsam Gespenster, dachte Sophie, bemüht, ihre angeschlagenen Nerven zu beruhigen.

 
Dunedin, im Februar 1901
 
    Anna setzte sich ächzend in ihren alten Korbstuhl, der sich langsam aufzulösen begann. Ich brauche unbedingt einen neuen, dachte sie, aber wovon bezahlen? Sie strich ihr Kleid glatt. Sie hatte sich nach Klaras und Timothys Tod vier ähnlich schmucklose schwarze Kleider schneidern lassen, die sie stets im Wechsel trug. Farben verabscheute sie seitdem. Selbst die bunte Pracht im Garten beleidigte ihr Auge. Paula hatte sie für verrückt erklärt, als sie am Weihnachtsfest nach dem Tod der Kinder befohlen hatte, den prächtig blühenden Rata abzuholzen. Nun wuchsen dort immergrüne Büsche.
    Kopfschüttelnd betrachtete Anna das Treiben im Garten. Eine Horde großer Mädchen, bekleidet mit Matrosenblusen und blauen Faltenröcken, tollte vor ihren Augen herum. Allen voran die blond gelockte, hochgewachsene Kate, die die Kommandos erteilte. Ihre Enkelin wurde an diesem Tag zwölf Jahre alt und hatte sie dazu überreden können, zwölf Freundinnen einzuladen. Sie hatte dem zugestimmt als Belohnung dafür, dass Kate die Beste in ihrer Highschool-Klasse war.
    An Kate ist ein Junge verlorengegangen, obwohl sie wie ein Engel aussieht, dachte Anna mit einem Anflug von Zärtlichkeit. Jedes Mal, wenn sie dieses Menschenkind betrachtete, ging ihr das Herz auf, aber das wusste nur sie allein. Seit Klaras und Timothys Tod zeigte Anna ihre Gefühle nicht mehr. Das Aussehen ihrer Enkelin erfüllte sie auch mit Besorgnis. Sie würde einmal eine sehr schöne Frau werden. Für die Liebe geschaffen! Die Liebe? Anna schnaubte verächtlich. Seit zwölf Jahren hatte sie es sich versagt, an John zu denken. Immer, wenn sie der sehnsüchtige Gedanke an ihn überkam, zwang sie sich eisern, an etwas anderes zu denken. Oder sie eilte zur

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