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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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hinüber zur Küche, lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete, wie sie
die Kanne füllte und die Kaffeemaschine einsteckte. »Noch mehr
Regenbogenjournalismus! Wie zum Teufel machen sie es nur, daß sie mit ihren
Fragezeichen in der Überschrift immer ungestraft davonkommen?« Er warf einen
Blick hinter sich auf die Zeitung, die ausgebreitet auf dem Boden lag. Von hier
konnte er die Überschrift erkennen:
    Q-SCHRIFTEN
GEFUNDEN?
    »Sie wollen
wirklich nur Geld damit machen!« schrie er. »Wie kann Weatherby das zulassen?«
    »Ich glaube nicht, daß er
irgendeinen Einfluß darauf hat, Ben.« Er schüttelte voll Abscheu den Kopf. Die
Überschrift nahm Bezug auf ein nicht existierendes Schriftstück, das nach der
gängigen Meinung der Bibelkundler in der Zeit kurz nach Jesu Tod und noch vor
der Niederschrift des ersten Evangeliums verfaßt worden war. Auf Grund gewisser
Hinweise bei Matthäus, Markus und Lukas war man zu der Annahme gelangt, daß
eine andere Sammlung mit den Aussprüchen Jesu noch vor Erscheinen des
Markus-Evangeliums unter Nazaräern im Umlauf gewesen sein mußte. Diese
vermeintliche Spruchsammlung ist von deutschen Gelehrten im neunzehnten
Jahrhundert als »Quelle« bezeichnet und in neuerer Zeit einfach mit Q abgekürzt
worden. Keine Spur dieses Dokuments war je gefunden. »Glauben die Leute
tatsächlich, daß es das ist, was Weatherby hat?«
    »Nicht die Leute, Judy,
sondern die Zeitungsschreiber. Und nicht einmal die glauben daran. Vielmehr ist
es das, was sie die Leute glauben machen wollen, damit sie ihre verdammten
Zeitungen verkaufen können. Nur weil David hin und wieder ein paar Zitate
einstreute, die vielleicht beweisen, daß sie tatsächlich von Jesus stammen! Ich
glaube kaum, daß die Schriftrollen von Magdala die Grundlage für Markus,
Matthäus und Lukas waren!«
    Judy lächelte verschmitzt.
Sie war froh, in Ben wieder den analytischen Historiker zu erkennen. »Weißt du
was«, meinte sie, als die Kaffeemaschine zu brodeln begann, »ich möchte sogar
bezweifeln, daß David je etwas von der Unbefleckten Empfängnis oder der Geburt
Christi gehört hat.« Ben verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den
Türrahmen. »Die mythische Verklärung kam erst viel später, und Jesus hatte
keinerlei Absicht, die Heiden zu bekehren. Sogar Matthäus sagt uns das im
fünften Vers des zehnten Kapitels. Wenn man David Ben Jona fragte, wüßte er
nicht, was ein Christ ist, ja nicht einmal, was eine Kirche ist. Er und all die
anderen, die auf die Rückkehr Jesu warteten, waren fromme Juden, die das
Passah-Fest begingen, an Jom Kippur fasteten, den Verzehr von Schweinefleisch
unterließen und sich selbst als Gottes auserwähltes Volk betrachteten. Die
ganze Mythologie und die Rituale kamen erst viel später, als die Heiden sich
dem neuen Glauben anschlossen.«
    Judy zog den Stecker der
Kaffeemaschine heraus und füllte zwei Tassen mit dampfendem Kaffee. »Hier.
Komm, wir wollen uns setzen. Ich wünschte wirklich, die letzte Rolle wäre nicht
zerstört worden. Vielleicht hätte sie einige der Dinge klären können, von denen
du gerade sprachst.«
    Ben versetzte der Zeitung
einen Tritt, bevor er sich setzte. »Q-Schriften, was ihr nicht sagt! Ein Haufen
Scheiße! Was wißt ihr schon davon?«
    Judy schlürfte ihren Kaffee
langsam und genüßlich. »Als David von einem Kloster am Salzmeer sprach, meinte
er doch Qumran, oder?«
    »Die alte Bezeichnung für das
Tote Meer war Salzmeer. Aller Wahrscheinlichkeit nach kannte er den Mann, der
die Qumran-Handschriften in jenen Höhlen versteckte, sogar persönlich.« Judy
schauderte unwillkürlich. »Gott, ist das Ganze einfach überwältigend.« Sie
drehte sich zu Ben um. »Was willst du jetzt tun? Ein Buch schreiben?« Doch er
hüllte sich in Schweigen. In seinem Gesicht lag ein seltsamer Ausdruck, der
Judy beunruhigte. »Noch ist es nicht vorbei«, sagte er abwesend.
    »Was? Woher willst du das
wissen?«
    »Ich habe es im Gefühl. Judy,
erinnerst du dich an gestern abend, als du in der Küche warst und ich plötzlich
aufschrie? Und du kamst hereingerannt? Ich habe dir noch gar nicht gesagt, was
mir da passierte. Es war das merkwürdigste…« Bens Augen umwölkten sich, als er
sich an das unheimliche Gefühl erinnerte, in eine andere Zeit zurückversetzt zu
werden. »Ich finde keine Worte, um es zu beschreiben. Es war einfach…
überirdisch! Ich saß hier an meinem Schreibtisch und hatte die Hände über den
Fotos ausgebreitet, als ich urplötzlich spürte,

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