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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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daran, wie Judy gegangen ist. Ich erinnere mich nicht daran, daß ich
die Rolle übersetzt habe. Da ist ein weißer Fleck… Er sah zu ihr auf. »Es tut
mir leid«, gab er sich geschlagen. Angie wich einen Schritt zurück. »Na schön,
wie du willst.« Ben streckte seinen Arm nach ihr aus, ging auf sie zu. Aber
Angie wehrte ihn mit einer Hand ab und sagte: »Nein, Ben. Nicht dieses Mal. Ich
bin gekränkt. Tief gekränkt. Ich muß diese Sache zu Ende denken. Sag mir eines:
Gedenkst du, diese Rolle für einen Tag ruhenzulassen? Oder wenigstens für ein
paar Stunden?« Er runzelte die Stirn. »Ich kann nicht, Angie. Ich kann… nicht
von ihr lassen…«
    »Das reicht! Vielleicht komme
ich zu dir zurückgekrochen, wenn das alles vorbei und in einem Buch
veröffentlicht ist. Bis dahin hoffe ich, daß du und David sehr glücklich
miteinander werdet…« Ben merkte, wie das Zimmer vor seinen Augen zu
verschwimmen begann. Durch einen Wirbelwind von Gedanken hörte er undeutlich,
wie Angie aus dem Zimmer stolzierte und die Tür hinter sich zuschlug. Er war
todmüde und völlig erschöpft, denn die Anspannung der letzten Nacht hatte ihn
vollkommen aufgezehrt. Noch lange, nachdem Angie gegangen war, stand er mitten
im Wohnzimmer, unschlüssig, was er als nächstes tun sollte, und mit dem Gefühl,
zwischen mehreren Wirklichkeiten zu schweben.
    Nachdem er sich beruhigt
hatte und versucht hatte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen, fühlte Ben, wie
ihn eine große Niedergeschlagenheit überkam. Es begann in seiner Magengrube –
ein kränkliches, hohles, einsames Gefühl, das ihm durch den ganzen Körper kroch
und ihn in einem Anfall von Trauer und Bedrücktheit überwältigte. Plötzlich
wollte er nur noch schlafen. Er wollte sich in einer dunklen Höhle verkriechen
und eine ewig währende Nacht durchschlafen.
    Nur war es jetzt Tag. Fast
acht Uhr und draußen helles Licht. Er schloß alle Fensterläden und Vorhänge in
der Wohnung, um das grelle Tageslicht und die unentrinnbare Gegenwart
auszusperren. Dann fiel er, ohne sich überhaupt erst auszuziehen, auf sein Bett
und schlief sofort ein.
     
     
    Der letzte Traum war der
wunderbarste. Der erste war die gewöhnliche Mischung aus Personen und der
übliche Strudel aus Ereignissen gewesen – von Angie und Judy Golden und von Dr.
Weatherby. Er war von einer verwickelten Sequenz zur nächsten übergegangen und
bewegte sich dabei durch eine Welt von nebelhaften Gesichtern und gedämpften
Stimmen. Doch am Ende, kurz bevor er aus der Bewußtlosigkeit wieder auftauchte,
durchlebte Ben einen ganz klaren und beängstigenden Traum.
    Er lief zu einer unbestimmten
Nachtstunde eine unbekannte Straße hinunter. Es gab keine Lichter, keine Autos
oder irgendwelche Orientierungspunkte, die ihm verraten konnten, wo er war. Es
war nicht so sehr die Furcht vor dem Nichts, das ihn umgab, als die eisige
Angst, die seine Seele beschlich – die unglaubliche Weite des Alleinseins, die
Einsamkeit eines Menschen, der keine Familie und keine Freunde hatte und
mutterseelenallein kalte, dunkle Straßen hinunter lief. Plötzlich war jemand an
seiner Seite. Ein hübsches, junges Mädchen mit langem, rotem Haar und grünen
Augen. Er war aber durch ihr unerwartetes Auftauchen nicht überrascht. Sie
gingen eine Weile schweigend nebeneinander her, bis Ben sich selbst fragen
hörte: »Wo sind wir?«
    »Wir sind in Jerusalem«,
antwortete sie. »Das ist seltsam.«
    »Warum?«
    »Es ist nicht
so, wie ich es mir vorgestellt habe.« Daraufhin lachte das Mädchen ganz
merkwürdig. Sie hatte ein hohes, schallendes Lachen wie das einer
Geisteskranken. Sie sagte: »David, du mußt dir Jerusalem nicht vorstellen!«
    » Aber ich bin doch gar nicht David.«
    »Wie albern! Natürlich bist
du David. Wer solltest du denn sonst sein?«
    Bevor er noch irgend etwas
erwidern konnte, überkam ihn ein komisches Gefühl, als würde er beobachtet, auf
Schritt und Tritt bespitzelt.
    Seine Angst wurde größer. Das
Mädchen auf seiner Seite war eine Bedrohung. Sie hatte keinen Namen, keine
Identität, und doch fürchtete er sie.
    »Wie heißt du?« fragte er mit
zusammengeschnürter Kehle. »Rosa«, antwortete sie mit schallendem Gelächter.
»Nein!« schrie er. »Du bist nicht Rosa!«
    Ihr Gelächter dröhnte in
seinen Ohren. Es kam von überallher, von allen Seiten gleichzeitig. »Was ist so
lustig?« schrie er sie an.
    »Wir sind nicht allein«,
stieß das rothaarige Mädchen, glucksend vor Lachen, hervor. »Wir sind nicht
allein!«

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