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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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auffassen. Wenn ich dir einen Schmerz zufüge, so
geschieht dies unabsichtlich. Doch sei stets eingedenk, mein Sohn, daß es auch
noch andere Arten gibt, Gott zu dienen, als sein Gesetz zu hüten. Nicht alle
Menschen sind zu Schriftgelehrten geboren, ebensowenig wie alle Menschen zu
Fischern geboren sind. Und doch dient jeder Mensch Gott auf seine Weise, so wie
er es am besten versteht. Du wirst ein Gelehrter der Heiligen Schrift werden
und Gottes Gesetz gegen die verheerenden Auswirkungen des Zeitenwandels
schützen.« Er legte an dieser Stelle eine Pause ein und sah mich lange an. »Und
trotzdem…«, sagte er. Aber er führte seinen Gedanken niemals zu Ende.
    So hatte ich mir in einem
Versteck ein wenig Silbergeld angespart. Stets trug ich meine Sandalen, bis sie
gänzlich durchgelaufen waren, und besserte meinen Umhang aus, wie es nur eine
Frau getan hätte. Als Saul sich sein drittes Paar Sandalen erstand, nahm ich
seine alten abgelegten und trug sie noch weitere sechs Monate. Er lachte mich
deswegen aus, aber ich glaube, daß er mich insgeheim um meine Fähigkeit, Geld
zu sparen, beneidete. Ich war siebzehn Jahre alt, als ich zum erstenmal Rebekka
begegnete.
    Die meisten anderen jungen
Männer waren in diesem Alter schon verheiratet oder verlobt, doch für uns
Rabbinerschüler, die wir uns keine Minute vom Studium des Gesetzes freimachen
durften, konnte dies nicht gelten. Folglich machten wir uns übers Heiraten nur
wenig Gedanken. Die Zeit würde kommen, da unser Lehrer uns für reif genug
erachten würde, auf eigenen Füßen zu stehen und selbst Lehrer zu sein. Und wenn
diese Zeit käme, würden wir eine begehrenswerte Frau finden und sie heiraten.
Doch genausowenig, wie wir wußten, wann unser Lehrer uns freigeben würde,
konnten wir voraussehen, wann wir in der Lage wären zu heiraten. Deshalb
dachten wir wenig darüber nach.
    Zumindest verhielt ich mich
so, bis ich Rebekka traf. Sie war die Tochter von Eleasars Bruder, der als
Zeltmacher in Jerusalem arbeitete. In den ersten drei Jahren, die ich im Hause
des Rabbis wohnte, war ich nie mit diesem Mädchen zusammengetroffen. Doch eines
Tages wurde Eleasars Frau Ruth krank und war für viele Wochen ans Bett
gefesselt. Der Bruder des Rabbis schickte zwei seiner Töchter, um Eleasar zu
helfen, denn er selbst hatte keine. Der Tag, an dem ich Rebekka traf, war der
Tag vor dem Sabbat. Sie und ihre Schwester kamen ins Haus, um die Mahlzeiten
zuzubereiten, die wir am nächsten Tag verzehren sollten. Ich werde diesen
Nachmittag nie vergessen.
    Wir alle kamen früh mit
Eleasar vom Tempel: Saul und ich und die vier anderen Knaben, die bei uns
wohnten. Rebekka und Rahel waren emsig beim Kochen und beeilten sich, um vor
Sonnenuntergang fertig zu werden. Ich ging sofort hinauf, um mich zu waschen
und mich für die Gebete vorzubereiten. Da bemerkte ich, daß Saul mir nicht
folgte. Nach kurzem Warten stieg ich wieder hinunter und fand ihn zu meiner
Überraschung in der Küche. Rebekka hatte ungewöhnlich rotes Haar und blaßgrüne
Augen. Ich werde niemals die Art und Weise vergessen, wie sie errötete, als
Saul uns miteinander bekanntmachte. Rahel, die vier Jahre älter und wenig hübsch
war, nickte mir zu und fuhr mit der Arbeit fort. Saul und ich machten Rebekka
so gut wir konnten den Hof, wobei wir natürlich durch unser linkisches
Auftreten und unsere Unerfahrenheit behindert wurden. Sie war sechzehn, ein
Jahr jünger als wir.
    Eleasar schien nichts dagegen
zu haben, daß wir dem Madchen mit ausgesuchter Höflichkeit begegneten, und war,
wie ich glaube, belustigt. Sie blieb zum Essen bei uns, mußte danach aber ins
Haus ihres Vaters zurückkehren, während Rahel dablieb, um Ruth zu pflegen.
    Eleasar wählte mich, um
Rebekka zu begleiten. Ich habe mich nie in meinem Leben – weder zuvor noch
danach – zugleich so unbehaglich und so glücklich gefühlt. Rebekka war ein
reizendes Mädchen, schüchtern und doch gefällig, mit einem lustigen Lachen, das
ich gerne hörte. Wir sprachen wenig, als wir durch die dunklen Straßen liefen;
dennoch war unser Schweigen weniger verlegen als erwartungsvoll.
    An ihrem Haus angelangt, das
voller Kinder und hell erleuchtet war, stellte sie mich ihrem Vater vor, der
tief beeindruckt war, einen Schüler des Gesetzes vor sich zu haben. Er lud mich
ein, zu bleiben, aber ich bestand darauf, heimzugehen – so sehr es mich auch
betrübte, Rebekka zu verlassen –, denn ich wollte die Abendstudien mit Eleasar
nicht versäumen.
    Rahel blieb

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