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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ein Händler aus
Antiochia in Syrien. Übermorgen läuft eine Flotte von Joppe nach Ägypten aus.
Sie werden dort große Mengen Korn für Rom an Bord nehmen, und wenn alle Schiffe
es bis Ostia schaffen, wird das Unternehmen einen Riesengewinn abwerfen.«
    »Was wollt Ihr von mir?«
    »Der Kapitän dieser Schiffe
braucht Geld, um seine Mannschaft zu bezahlen. Als Gegenleistung wird er seine
Gewinne teilen. Du, mein Freund, hast nun Gelegenheit, dir einen Anteil an
diesem Gewinn zu sichern. Gib mir das Geld, das du besitzt, und in sechs
Monaten gebe ich dir dafür eine Riesensumme.«
    »Und wenn die Schiffe
untergehen?« fragte ich. »Das ist das Risiko, das alle Geldverleiher auf sich
nehmen müssen. Wenn sie untergehen, wie es zuweilen vorkommt, wirst du dein
Geld verlieren. Wenn sie es dagegen mit dem Korn bis Ostia schaffen…«
    Wäre ich nüchtern gewesen,
mein Sohn, hätte ich den Griechen nur ausgelacht und ihn stehenlassen. Aber ich
war nicht nüchtern. Ich war siebzehn und betrunken und zu allem fähig, um
Rebekka zu gewinnen.
    Ich weiß
nicht, zu welchem Zeitpunkt ich die Schenke verließ, aber Saul hatte mich wohl
nicht gesehen, denn später sagte er, er habe meine Abwesenheit nicht bemerkt.
Wie dem auch sei, irgendwie fand ich den Weg zu Eleasars Haus, stolperte, ohne
jemanden zu wecken, die Treppe hinauf in mein Zimmer, holte meinen kleinen
Geldschatz aus dem Versteck und wankte zurück zur Schenke. Als ich zurückkam,
hatte der Grieche bereits einen Vertrag in zwei Ausfertigungen aufgesetzt, und
ohne ihn durchzulesen, unterschrieb ich ihn bereitwillig. Salmonides nahm mein
Geld und gab mir dafür das Stück Papier.
    Und das ist alles von diesem
Abend, woran ich mich erinnere. Saul erzählte mir tags darauf, daß er einmal
zufällig aufgeblickt und mich schlafend an einem Tisch gesehen habe, an dem ich
allein saß. Und so habe er sich von der Gruppe, mit der er zusammengesessen
hatte, verabschiedet, mich auf seinen breiten Schultern nach Hause getragen und
dort zu Bett gebracht. Der nächste Tag sollte der schlimmste meines Lebens
werden. Die Scham war größer als irgendeine Last, die ich in meinem Leben
getragen hatte. Ich erniedrigte mich vor Eleasar und schüttete ihm mein Herz
aus. Während ich mit gesenktem Blick sprach, hörte er in ernster Stille zu. Ich
erzählte ihm, daß ich mich in der Öffentlichkeit betrunken hatte, daß ich mich
in der Gesellschaft nackter Mädchen und schändlicher Heiden aufgehalten hatte,
daß ich reichlich Schweinefleisch gegessen und schließlich Salmonides mein
ganzes Geld gegeben hatte.
    Als ich fertig war, saß
Eleasar für einen Augenblick in tödlichem Stillschweigen da. Dann stieß er
einen solchen Schrei aus, daß ich vor Angst zitterte. Er schlug sich an die
Brust, raufte sich das Haar und schrie heraus: »Womit habe ich das verdient, o
Herr? Worin habe ich gefehlt? War es nicht dieser Knabe, in den ich meine
größten Hoffnungen setzte und der als größter Rabbiner in Judäa meine Nachfolge
hätte antreten sollen? Womit habe ich das nur verdient, o Herr?«
    Eleasar fiel auf die Knie und
tat lautstark kund, welches Unglück ihm widerfahren sei. Er gab sich selbst die
Schuld an meiner Missetat, klagte, daß er als Lehrer versagt habe, und
jammerte, daß er Gott enttäuscht habe, indem er seinen besten Schüler vom
rechten Weg abgehen ließ.
    Ich weinte mit ihm, bis die
Tränen meine Ärmel durchnäßt hatten und ich nicht mehr weinen konnte. Als ich
nur noch trockene Schluchzer von mir gab, schaute ich zu Eleasar auf und sah
auf seinem Gesicht, wie groß sein Schmerz war. »Du hast Gottes heiliges Gesetz
besudelt«, sagte er erbarmungslos. »David Ben Jona, durch dein eigenes Tun hast
du den Bund Abrahams mit Füßen getreten und alle Juden vor Gott beschämt. Habe
ich dich nicht recht gelehrt? Wie konntest du nur derart in die Irre gehen und
so tief sinken?«
    Saul, den der Wein nicht
betrunken gemacht hatte, der das Schweinefleisch zurückgewiesen und kein Geld
an einen Griechen verloren hatte, war bei Eleasar ebenfalls nicht mehr gut
angesehen, und doch war es nicht dasselbe. Eleasar war auf Saul nicht so stolz
gewesen wie auf mich. Er hatte in Saul nicht den Nachfolger für sein eigenes erhabenes
Amt und für die Weiterführung der Tradition erblickt. Und wegen alldem blieb
Saul ein Verweis von der Schule erspart. Anders verhielt es sich mit mir.
Eleasar betrachtete meine abscheulichen Sünden als eine ihm persönlich
zugefügte Schmach. Ich hatte ihn

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