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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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meinen Bart und machte mich mit
klopfendem Herzen auf den Weg nach Jerusalem.
    Saul stand kurz vor dem Ende
seines Studiums und wohnte daher nicht länger bei Eleasar. Er war wieder zu
seinem Vater zurückgekehrt und würde dort nach der Hochzeit mit seiner jungen
Ehefrau so lange wohnen, bis er sich ein eigenes Heim leisten konnte.
    Saul war noch nicht zu Hause,
aber ich wurde von seiner Familie herzlich empfangen. Als Saul dann kurze Zeit
später aus dem Tempel zurückkam, freute er sich über meinen Besuch und bemerkte
in seiner Begeisterung gar nicht den Anflug von Enttäuschung, der sich auf
meinem Gesicht zeigte. Sara war nicht bei ihm.
    Und was hatte ich auch
erwartet? Bis zur Hochzeit würde sie natürlich nicht allzu häufig in seiner
Gesellschaft sein. Ich mußte einen anderen Weg ersinnen.
    Was ich mir ausdachte, war
folgendes: Ich lud die beiden für den Vorabend des Sabbat erneut zum Abendessen
ein und bat sie, bis zum nächsten Tag zu bleiben.
    Ich sagte: »Rebekka fühlt
sich einsam in diesem Haus am Olivenhain, denn sie kommt selten mit
gleichaltrigen jungen Frauen zusammen. Saras Gesellschaft würde ihr sicherlich
guttun.« Und Saul nahm die Einladung bereitwillig an. Mein Sohn, ich betrog
meinen besten Freund und benutzte ihn, um meine eigenen Ziele zu erreichen.
Doch in meinem glühenden Verlangen, Sara wiederzusehen, kam mir nichts von
alledem in den Sinn. Ein Mann, der von der Liebe getrieben wird, von einer
verzehrenden Leidenschaft, ist kein vernunftbegabter Mensch mehr.
    Als Saul und Sara kurz vor
Sonnenuntergang eintrafen, war ich ganz außer mir. Ich stand auf, um zu
beobachten, wie sie den Pfad heraufkamen. Ich hörte Saras Lachen zwischen den
Bäumen schallen, ich sah, wie sich das Sonnenlicht in ihrem herrlichen, im
Abendwind wehenden Haar verfing. Als sie indes an unserer Schwelle anlangte,
zeigte sie sich schüchtern und ließ den Schleier wieder herunter. Und doch
spürte ich, wie ihre dunklen Augen mich durch den Schleier hindurch anblitzten,
und die Knie wurden mir weich. Niemand vermag das Gefühl der Liebe zu erklären,
woher es kommt, warum es überhaupt existiert, wodurch es zu bestimmten Zeiten
hervorgerufen wird. Man weiß nur, daß es die erhabenste aller Empfindungen ist.
    Von deinen Lippen, o Braut,
träuft Honigseim; Milch und Honig birgt deine Zunge, und der Duft deiner
Kleider gleicht dem Duft des Libanon!
    Ich kann mir
vorstellen, wie König Salomo zumute war, als er dieses Lied schrieb, denn in
Saras Gegenwart war ich schwach, von glühender Leidenschaft verzehrt und
erfüllt von dem Verlangen, sie in meinen Armen zu halten.
    Tags darauf kehrte Saul in
die Stadt zurück, um in den Tempel zu gehen. Ich begleitete ihn nicht, denn wir
von den Armen hielten unseren Gottesdienst nicht am Sabbat, sondern einen Tag
später ab. Und so erbot ich mich, Sara in meinem Olivenhain herumzuführen, damit
sie all meine Besitztümer sehen und die frische Morgenluft genießen könnte.
Rebekka zog es vor, im Haus zu bleiben, und so wanderten Sara und ich allein
zwischen den Olivenbäumen einher.
    Zuerst
sprachen wir nicht. Es herrschte ein seltsames Stillschweigen zwischen uns.
Doch als wir unter den Zweigen dahinschlenderten und uns an der Wärme des Tages
ergötzten, wußte ich, daß Sara dasselbe empfand wie ich.
    Schließlich erreichten wir
den letzten der Bäume und standen am Rand eines wunderbaren Aussichtspunktes.
Die blutrote Anemone war in voller Blüte und belebte die Landschaft mit ihrem
strahlenden Glanz. Die Luft war erfüllt von dem Duft der Aleppokiefern, und
weiße Lilien sprossen da und dort im Gras wie schlafende Tauben.
    Endlich konnte ich es nicht
mehr aushalten und erzählte Sara, was ich im Grunde meines Herzens empfand. Ich
gestand ihr, daß ich mich nicht schuldig fühle, daß ich zwar ein jung
vermählter Ehemann sei, aber dennoch nicht an meine Frau denken könne und daß
sich das Feuer, von dem ich verzehrt wurde, meiner Kontrolle entziehe.
    Zu meiner Überraschung und
Freude äußerte sich Sara ganz ähnlich; daß sie seit dem Augenblick unserer
ersten Begegnung rastlos sei und einen stechenden Schmerz im Herzen empfinde.
»Wie kann das sein?« fragte sie. »Kann eine solche Liebe in einem so kurzen
Augenblick erblühen? Ist es möglich, daß sich zwei Menschen nur ansehen und
hilflos in einer Leidenschaft gefangen werden, die so groß ist, daß alles
Wasser von Siloam sie nicht zu kühlen vermag?«
    Ich sagte ihr, daß es wohl so
sein müsse, da es uns

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