Der Fluch der Sphinx
Weiß und Braun gestreiftes Gewand und einen weißen Turban trug und nun einen blanken Krummsäbel zückte. Das Licht der einzelnen Glühbirne unter der Decke spiegelte sich auf der rasiermesserscharfen Klinge, die sich Abduls entsetzt verzerrtem Gesicht näherte.
Bevor Erica sich den gräßlichen Anblick durchs Loslassen des Vorhangs ersparen konnte, riß der eine Araber Abduls Kopf heftig nach hinten, und der andere schnitt mit dem Säbel ihm die Kehle bis zur Wirbelsäule auf. Ein Pfeifen drang aus der zertrennten Luftröhre,ehe ein Schwall hellroten Blutes den gesamten Hals überschwemmte.
Ericas Beine gaben nach, und sie sackte auf die Knie nieder; die dicken Teppiche dämpften das Geräusch ihres Sturzes. Voller Entsetzen starrte sie im Zimmer umher, suchte nach irgendeiner Möglichkeit, um sich zu verstecken. Die Schränke? Sie hatte keine Zeit, diese Möglichkeit auszuprobieren. Mühsam richtete sie sich auf und zwängte sich in die hinterste Ecke zwischen dem letzten Schrank und der Wand. Man konnte den Winkel kaum ein Versteck nennen. Günstigstenfalls versperrte sie sich das eigene Blickfeld, so wie ein Kind sich im Dunkeln die Augen zuhält. Aber das hakennasige Gesicht des Mannes, der Abdul niedergedrückt hatte, hatte sich ihr unauslöschlich eingeprägt. Ständig sah sie vor sich die grausamen schwarzen Augen, unterm Schnurrbart den aufgerissenen Mund, der spitze, goldgekrönte Zähne zeigte.
Weitere Geräusche ertönten aus dem Vorderteil des Ladens, einige Male klang es, als rücke man Möbel hin und her, dann trat eine tiefe Stille ein. Die Zeit verstrich qualvoll langsam. Schließlich hörte Erica Stimmen näherkommen. Männer betraten das Hinterzimmer. Sie wagte kaum mehr zu atmen, und vor Furcht bekam sie eine Gänsehaut. Sie hatte den Eindruck, als fände die auf arabisch geführte Unterhaltung direkt neben ihr statt. Sie spürte die Gegenwart von Menschen, hörte ihre Bewegungen. Schritte waren vernehmbar, ein dumpfer Stoß dröhnte. Jemand fluchte arabisch. Dann entfernten sich die Schritte, und Erica vernahm das schon vertraute Klackern der Perlenschnüre am Eingang.
Erica atmete auf, blieb jedoch in den Winkel gepreßt, als stünde sie auf einem Felssims mit einem dreihundert Meter tiefen Abgrund zu ihren Füßen. Weitere Zeit verging, aber sie hatte keine Vorstellung, ob sie fünf oder fünfzehn Minuten lang wartete. Endlich zählte sie bis fünfzig. Dann drehte sie langsam den Kopf und schob sich ein Stück weit aus der Ecke. Das Zimmer war verlassen, ihre Einkaufstasche lag unberührt auf dem Teppich, ihr Teeglas stand noch bereit. Aber die prachtvolle Statue Sethos’ I. war fort!
Das Klackern der Perlenschnüre, die am Eingang gegeneinanderprallten, jagte ihr einen neuen Schauder über den Rücken. Als sie sich in panischer Angst wieder in den Winkel flüchtete, warf sie mit dem Fuß ihren stehengebliebenen Tee um. Das Glas löste sich aus der metallenen Henkelhalterung. Der Teppich dämpfte das Geräusch und sog die Flüssigkeit auf, doch dann rollte das Glas mit einem dumpfen Klirren gegen den Tisch. Erica quetschte sich zurück in die Ecke. Sie hörte, wie jemand den schweren Vorhang zur Seite riß. Obwohl sie die Augen geschlossen hatte, nahm sie das Eindringen natürlichen Tageslichts ins Hinterzimmer wahr. Die Helligkeit wich wieder. Sie war allein mit demjenigen, der das Zimmer betreten hatte. Leise Geräusche waren zu hören, Schritte kamen näher. Erneut hielt sie den Atem an.
Plötzlich packte eine Hand sie mit eisenhartem Griff am Arm und zerrte sie mit einem Ruck aus ihrem Versteck und zog sie mitten ins Zimmer. Sie taumelte.
Boston, 8 Uhr
Das Schrillen des Weckers riß Richard Harvey aus seinem Traum, zwang ihn dazu, sich damit abzufinden, daß ein neuer Tag anbrach. Die ganze Nacht lang hatte er sich ruhelos herumgeworfen, unruhig gedreht und gewendet. Als er das letzte Mal auf die Uhr gesehen hatte, erinnerte er sich, war es kurz vor fünf gewesen. Für heute hatten sich in der Praxis siebenundzwanzig Patienten angemeldet, und er fühlte sich wie gerädert.
»Herrgott«, stieß er verärgert hervor, als er mit der Faust auf den Wecker einschlug. Die Kraft des Hiebs verklemmte nicht nur die Abstelltaste, sondern sprengte auch den durchsichtigen Plastikeinsatz überm Zifferblatt heraus. Das geschah nicht zum ersten Mal, und das Plastikstück ließ sich leicht wieder ins Gehäuse setzen, aber trotzdem neigte Richard dazu, dieses kleine Mißgeschick typisch
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