Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
das hat er leider nicht.«
    Na Roqua seufzte. »Ihr hättet ihn fragen sollen.«
     
    Das Rätsel um Augustes Tod zu lösen, war verglichen mit Adelias früheren Untersuchungen kaum von Gewicht, für das Wohl Caronnes jedoch bedeutete es viel, und beim Weihnachtessen an diesem Abend war sie die Heldin.
    Dankbare Roqua- und Lizier-Männer schenkten ihr und ihren ehemaligen Mitgefangenen wunderschön gearbeitete Schaffellmäntel, und sie musste ihren Becher zu Dutzenden von Trinksprüchen auf sie heben. Sogar ein Lorbeerkranz wurde ihr auf den Kopf gesetzt. Endlich, nach einem dreistündigen Festmahl, während dem sie zuletzt schwer auf Mansurs Arm gelehnt hatte – dem Araber war durch seine Religion jeder Alkohol verboten, und so war er der einzig Nüchterne weit und breit –, wurde sie auf einen Stuhl auf einem Podium im Burghof gesetzt, um zusehen zu können, wie die Dorfbewohner um das mächtige Feuer herumtanzten, das Ulf und Rankin zu diesem Zweck aufgeschichtet hatten.
    Es war den Fremden nicht möglich, sich am Tanz zu beteiligen. Die Männer kreisten ums Feuer, Frauen und Kinder formten eigene kleine Kreise am Rand, und die stampfenden, springenden Schrittfolgen waren zu kompliziert, um sie einfach so mittanzen zu können.
    Die Musik kam aus Rohrflöten und schwoll plötzlich zu unglaublicher Lautstärke an, als Prades, der örtliche Schmied, in ein Röhrchen blies, das zu einer furchterregenden Vorrichtung führte, offenbar einer riesigen Schweineblase, an der einige Schläuche hingen. Das Wehklagen seines Instruments war so laut, dass es noch in zehn Meilen Entfernung zu hören sein musste. Adelia zuckte zusammen. Sie werden es hören. Sie werden kommen. Dann riss sie sich zusammen. Dieses Geräusch gehört zu den Bergen. Warum sollte deswegen jemand kommen?
    »Oh, verdammt noch mal«, sagte Ulf, »das ist ein Dudelsack.«
    Rankin, der sich auf der Plattform gerekelt und trunken an Thomassias Wange geknabbert hatte, war mit einem Mal auf den Beinen. »Hörtihrdas? Alleswasheiligiss, dassind … die Pieps. Die
Pieps.
Binnichz’ause.« Wie ein Verdurstender taumelte er auf Prades zu und klammerte sich bettelnd an dessen Arm.
    »Er wird doch nicht, oder?«, stöhnte Ulf. »Doch, verdammt. Er besorgt sich ein paar Pieps. Wir sind verloren.«
    Und zum ersten Mal seit langer Zeit musste Adelia lachen.
     
    Der Schnee, der es, wie Adelia fürchtete, O’Donnell unmöglich machen könnte, sie zu holen, kam nicht, aber O’Donnell auch nicht. Stattdessen fand ein katharischer
Perfectus
ins Dorf, um seinen Glauben zu verbreiten.
    »Oh Gott«, sagte Adelia, als sie davon hörte. »Er wird Euch in Gefahr bringen.« Das
Euch
war längst genauso wichtig für sie wie das
Uns.
    »Wollt Ihr wohl aufhören?«, sagte Fabrisse müde. »Wir haben Posten aufgestellt, die nach Fremden Ausschau halten. Wir kennen Bruder Pierre, er ist ein guter Mensch. Im Augenblick ist er bei Na Roqua, wenn Ihr ihn hören wollt.«
    Adelia besprach sich mit den anderen.
    »Wir sollten hingehen«, sagte Mansur. »Vielleicht weiß er etwas von Schwester Aelith.« Der Gedanke an das gejagte mutterlose Mädchen belastete sie alle.
    An diesem Tag bekamen sie den
Perfectus
nicht zu sehen. Zu viele hatten sich bereits in Na Roquas Haus gedrängt oder saßen draußen, um Bruder Pierres Worten zu lauschen, die aus den Fenstern drangen. Er las aus der Bibel der Katharer im katalanischen Dialekt, den die Dorfbewohner verstanden, sodass sie Christi Worte in ihrer eigenen Sprache hören konnten, nicht in dem Latein, das die Priester von sich gaben.
    Adelia wusste mittlerweile, dass Caronnes Bewohner zwar nicht lesen und schreiben konnten, aber doch Meister im Debattieren waren, besonders in religiösen Dingen. Bis tief in die Nacht würden das Fragen und Antworten andauern.
    Sie ließ die anderen zurück, die zuhören wollten, ging mit Ward zur Burg und widerstand dem kalten Wind auf der Brücke eine Weile, um zu den mit Eis bedeckten Gipfeln der Pyrenäen hinüberzusehen. Sie waren eine Art Wetterorakel, schienen manchmal ganz nah und dann wieder in weiter Ferne zu liegen. Heute kündigte ihr klares Bild einen schönen Tag an. Wenn sie heranrückten und nur eine Meile oder zwei entfernt wirkten, gab es schlechtes Wetter. Adelia hatte sie zu lieben gelernt und stellte sie sich als eine Zuflucht vor, auf deren eng bewaldeten, von Bären und Wild belebten Hängen Außenseiter wie sie frei zu leben vermochten. Ich könnte mich dort niederlassen, dachte sie.

Weitere Kostenlose Bücher