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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Lord Ivos Kopf hielt, flößte Rowley ihm das Opiat ein. »Hier, mein lieber Freund.«
    Vater Guy tobte, der edle Lord habe seine Beichte noch nicht abgelegt, und Arnulf zerrte Adelia vor Wut schäumend aus dem Zimmer.
    »Du nichtsnutziges Ding«, zischte er. »Lehnt ihr, du und dein schwarzer Meister, euch gegen die heiligen Väter auf? Gegen die Praktiken unseren gesegneten Mutter Kirche?«
    Das war zu viel. Adelia zischte zurück: »Seit wann würde eine echte Mutter erlauben, dass einer ihrer Söhne so leidet wie der arme Mann da drinnen? Oder irgendein echter Doktor?«
    »Stellst du meine Autorität in Frage?«
    »Ja, verdammt. Genau das tu ich.« Damit stampfte sie den Flur hinunter.
    Lord Ivo brauchte, um zu sterben, einen ganzen Tag. Joanna und die Hofdamen verbrachten ihn in der Kirche der Abtei und beteten für die Seelen der beiden Ritter, von denen einer bereits von ihnen gegangen war, während der andere sich noch ans Leben klammerte.
    Adelia blieb in ihrem Zimmer. Zweimal noch kam Mansur, um die Phiole neu zu füllen. Lord Ivo war lange genug bei Bewusstsein gewesen, um die Beichte abzulegen und die letzte Ölung vom Bischof von Winchester zu erhalten.
    Doktor Arnulf und Vater Guy hatten das Zimmer des Sterbenden verlassen, sie wuschen ihre Hände in Unschuld, berichtete Mansur.
    »Gut.« Adelia verzog das Gesicht. »Wir haben uns heute keine Freunde gemacht, du und ich.«
    »Wollen wir Freunde wie die?«
    »Nein. Und doch nennen sie sich Christen. Wann hat Christus je einen Leidenden gesehen, ohne zu versuchen, seine Schmerzen zu lindern?«
    »Ich glaube nicht, dass es Christen sind. Es sind Kirchenmänner.«
    Als Mansur fort war, ging Adelia zum Fenster. Der Regen war stärker geworden. Sie sah den nahen Fluss und die schweren Tropfen, die Ringe in seine Oberfläche schlugen. Unter dem tief hängenden dunkelgrauen Himmel erschien der Wald dahinter wie eine unbestimmte Masse. Sie begriff, dass sie weder den Namen des Flusses noch des Waldes kannte, und wurde von der Angst eines verwaisten Kindes erfasst, das alles verloren hatte, was es liebte, und sich allein in einer fremden, feindlichen Welt wiederfand. Der Gedanke, dass Allie womöglich genauso empfand, drückte ihr aufs Gemüt.
    Sie sehnte sich nach dem Trost, den Gyltha für sie haben würde. Wir haben schon Schlimmeres durchgemacht,
Bor.
    Ja, das hatten sie, aber nicht so für sich allein.
    Es war längst dunkel, als Mansur kam, um ihr zu sagen, dass Lord Ivo gestorben sei. Er gab ihr eine Mönchskutte. »Die sollst du anziehen und zum Bischof in die Marienkapelle kommen.«
    »Warum?«
    »Er denkt, es stimmt was nicht mit Sir Nicholas’ Tod.«
    Der Schrecken des Tages löste sich unversehens in Lächerlichkeit auf. Wie typisch für Rowley: Sie nicht zu einem geheimen Stelldichein zu bitten, sondern ihr zu befehlen, verkleidet durch die übervolle Abtei zu laufen. Um was zu tun? Sir Nicholas’ Leiche aufzuschneiden?
    Aber natürlich würde sie gehen. Wenn sie erwischt wurde, konnte das ihren Ruf kaum noch verschlechtern. Sie würde gehen, weil sie ein Eisenspan war, der von einem männlichen Magnet angezogen wurde. Sie würde gehen, weil … nun, weil es dumm war, und das erschien ihr in diesem Moment wie ein Segen.
    Sie nahm Schleier und Haarreif ab, schlüpfte in die Kutte und zog die Kapuze tief über die Augen. »Sehe ich aus wie ein Mönch?«
    »Ja, wie ein kleiner.«
    Tatsächlich nahm niemand Notiz von ihr. Die Abtei befand sich in Aufruhr: Zwei wichtige Gäste waren tot, die unter ihrem Schutz gestanden hatten. Leute waren zu informieren, Nachrichten zu versenden. Die Beerdigungen mussten arrangiert, zusätzliche Messen gelesen werden, und dennoch war der heilige Stundenplan einzuhalten. Mönche hasteten nervös durch den Regen, Kapuzen tropften, und die Köpfe wurden geneigt, um mit den in Sandalen steckenden Füßen die Pfützen zu vermeiden. Sie wäre selbst dann noch unbemerkt geblieben, hätte sie im Gehen zwei Zimbeln gegeneinandergeschlagen.
    Die Marienkapelle stand für sich, ein Anhängsel der Kirche der Abtei und möglicherweise ihr ältestes Gebäude. Die Gestalt, die auf Adelia wartete, war größer als das kunstvoll gemeißelte Portal.
    »Du hast dir Zeit gelassen«, sagte die Gestalt. Sie drehte die ringförmige Klinke und drückte gegen einen der Türflügel, der laut knarzend aufschwang.
    Sofort roch Adelia Weihrauch, Bienenwachs und Tod. Das spärliche Licht in der Kapelle kam von zwei großen Kerzen am Kopf- und

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