Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
unter dem Arm hinter sich auf dem Pferd.
Er stieg ab, nahm dem Umhang und hielt ihn vor sie hin. »Er ist immer noch fleckig. Ich habe dem hässlichen Weibsstück, dieser Brune, gesagt, sie soll Bleicherde benutzen, aber sie tut es einfach nicht.«
»Oje!« Adelia zog dem Pilger den Stiefel wieder an und sagte ihm, er solle die Zwischenräume zwischen den Zehen sauber und vor allem trocken halten.
»Ich habe sie zurechtgewiesen.«
»Auf Englisch? Also, das hier ist eine Tinktur aus Myrrhe und Ringelblumen. Nein, die ist nicht zum Trinken, sondern wird zweimal täglich auf die Haut aufgetragen.«
»Ich habe es mit Zeichensprache versucht«, erklärte ihr Mansur.
»Oje!«
»Es ist an der Zeit, sich beim Bischof über das fette Stück zu beschweren. Sie hat mir in Zeichensprache geantwortet, und zwar alles andere als vornehm.«
»Oje, oje!«
Als sie den Zug entlang weiter nach vorne ritten, erwartete Brune sie bereits. Sie war von ihrem Karren gestiegen, stand mit rot angelaufenem Gesicht, die Hände in die Seiten gestemmt, mitten auf Straße und hatte eine erwartungsvolle Schar Bediensteter um sich gescharrt.
»Ihr da, Mistress!«, rief sie. »Ja, Ihr. Ich hab’ ein Hühnchen mit Euch zu rupfen.« Mit dramatischer Geste wandte sie sich ihrer Gefolgschaft zu und deutete auf Adelia. »Wisst ihr, was sie getan hat? Den großen Heiden da hat sie zu mir geschickt, damit er sich über ihre Wäsche beschwert, das hat sie. Kommt mir mit seinem Gequake und reckt mir seinen schwarzen Finger entgegen, als wäre ich ein Stück Dreck. Das lass ich mir nicht gefallen, nicht von einem, der nicht mal an unseren Erlöser glaubt.«
So ging es immer weiter, ein Sturzbach an aufgeblähter Rechtschaffenheit ging auf die sprachlose Adelia nieder, die spürte, dass Brune sich schon lange auf diesen Ausbruch vorbereitet hatte. Die Wäscherin genoss jede Sekunde ihres Auftritts.
Adelias Freund Martin versuchte sich einzumischen. »Gut, Missus, jetzt reicht es aber …«
Aber Brune wurde von ihrem eigenen Redeschwall mitgerissen. Sie schob den Pferdepfleger zur Seite und wurde noch ein Stück lauter, damit sie auch wirklich alle in der immer weiter anwachsenden Menge Neugieriger hören konnten. »Ich bin auf der Seite des Barmherzigen, das bin ich, und die, die im Heiligen Land auf sein heiliges Kreuz spucken, die können sich ihre Wäsche selber waschen, selbst wenn ich dafür zur Märtyrerin werde.«
»Was soll das?« Admiral O’Donnell, von dem Spektakel angezogen, war unbemerkt herangekommen.
Brune wandte sich ihm zu. »Ich mag ja eine einfache Wäscherin sein, Mylord, aber Königin Eleonor hat immer gesagt, meine Seele sei so rein wie meine Wäsche. ›Du erhebst das Wort für unseren Herrn, Brune‹, hat sie immer gesagt …«
»Ihr seid eine beeindruckende Person, Mistress Brune, aber wie hat meine alte Oma in Irland immer gesagt? ›Bosheit spricht niemals Gutes.‹«
Damit packte er die Wäscherin wie einen Sack, setzte sie auf ihren Karren, wischte sich die Hände sauber und wandte sich an die Zusehenden: »Und hier ist noch eine Weisheit für euch: ›Was ist von einer Sau anderes zu erwarten als ein Grunzen?‹«
Im nachfolgenden Applaus und den Buhrufen, denn Brune ist bei einigen beliebt, bei anderen aber nicht, reitet Scarry davon, das Gesicht abgewandt, um seine Dankbarkeit für die saftige Pflaume zu verbergen, die ihm Luzifer wieder einmal so reif in die Hände hat fallen lassen.
Dein Gott wird dich begleiten, Mistress Brune. Mögest du in Frieden ruhen!
Kapitel sieben
Adelia dachte immer, dass sie mit dem ersten Bischof von Poitiers gut ausgekommen wäre, trotz der acht Jahrhunderte, die zwischen ihnen lagen. Er war ein unabhängiger, belesener Denker gewesen, ein ruhiger, bescheidener früher Heiliger, und er hatte eine Frau und eine Tochter gehabt. Damals hatten Priester noch heiraten dürfen.
Im Übrigen dachte sie, dass jemand, der sich bei seinem Übertritt zum Christentum Hilarius hatte taufen lassen, sicher jemand war, den zu kennen ein Vergnügen gewesen wäre.
Während sie jetzt hinter der Kutsche der Prinzessin herritt, konnte sie glauben, dass Poitiers niemals die Freundlichkeit verloren hatte, die der heilige Hilarius – oder Saint Hilaire, wie er heute genannt wurde – der Stadt hinterlassen hatte. Die Glocken läuteten zur Begrüßung, und die winkenden Menschen an den sich windenden, ansteigenden Straßen, die Joanna vorbeifahren sehen wollten, zeigten wirkliche Freude
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