Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
arme Boggart, »aber das erste Mal war’s am Tag des heil’gen Anselm.«
Das Mädchen war also irgendwann ab April geschwängert worden, was bedeutete, dass sie vielleicht schon im siebten Monat war, was ihre weiten Kleider und ihr ansonsten dünner Körper bisher verborgen hatten.
Boggart ging auf die Knie und hob flehend die Hände. »Schickt mich nich’ weg, Mistress! Wohin soll ich denn? Ich versteh doch nich’, was diese Ausländer sagen!«
Adelia schaute sie groß an. »Warum sollte ich dich wegschicken?«, fragte sie und fügte gleich noch an: »Ich mag Babys.« Das stimmte. Sie bedauerte in vieler Hinsicht, dass sie und Rowley nicht noch ein Kind bekommen hatten, so heikel es hätte werden können. Adelia tätschelte dem Mädchen die Hand. »Wir bekommen es zusammen.«
Woraufhin Boggart völlig zusammenbrach und von Adelia auf einen Stuhl gesetzt werden musste, bis sie alles glaubte und sich wieder fasste.
Wie sich dann herausstellte, waren Rowley und Adelia nur drei Tage vergönnt.
Spät am Abend des dritten Tages tauchte Soldat Rankin in der Tür des kleinen Nebenhauses auf, wo Adelia und Boggart gerade damit fertig waren, einen Hustensaft abzufüllen und sich fürs Bett bereit machten.
»Ihrmüsstjezzgleichzumpalast«,
sagte er. Er war grauhaarig, sah wild aus und hatte ein Gesicht wie eine zerdrückte Steckrübe. Den beiden Frauen gegenüber war er durchaus freundlich, aber Captain Bolt sagte, als Kämpfer verbreite er Angst und Schrecken, was ihm Adelia ohne Einschränkung glaubte.
»Äh?« Sie hatte Schwierigkeiten, den unartikulierten schottischen Dialekt des Mannes zu verstehen.
Boggart, die besser damit zurechtkam, übersetzte: »Ich glaube, er will uns im Palast.«
»Jezz.«
»Jezz«, sagte Boggart.
Ward hinter sich, erreichten die das Tor zum Palast, als die Wächter es gerade schließen wollten. Captain Bolt erwartete sie. Er trug eine Laterne in der Hand und fasste Adelias Arm. »Es gibt Ärger in der Wäscherei, Mistress. Ihr geht besser gleich hin. Lord Mansur wird Euch brauchen.« Und nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu: »Der Mylord Bischof ist schon dort.«
Er führte sie in ein unterirdisches Gewölbe, wo die Wäscherinnen alles hatten, was sie für ihre Arbeit brauchten, eine riesige dunkle Kaverne mit Säulen, welche die Decke über einem mächtigen Becken stützten.
Hier hatten die Wäscherinnen der Prinzessin nachholen können, was die manchmal primitiven Einrichtungen der verschiedene Unterkünfte nicht zugelassen hatten. (Brune hatte Locusta nie das Kloster außerhalb von Alençon vergeben, wo die Mönche noch im Fluss wuschen und ihre Kleider reinigten, indem sie mit Steinen darauf schlugen.)
Wäsche und Kleider hingen an zwischen den Säulen aufgespannten Leinen, und Captain Bolt musste sie zur Seite drücken, um Adelia und Boggart in die Ecke hinüberzugeleiten, wo sich etliche Leute im Schein mehrerer Laternen um eines der enormen eisernen, auf einem Kohlenbecken stehenden Waschfässer versammelt hatten. Ward war immer noch hinter ihnen, blieb jetzt stehen und trippelte zur Seite.
Rowley war da, genau wie Vater Guy und Mansur, dazu kamen zwei Palastwachen und eine von Brunes jungen Wäscherinnen, deren Schluchzen wie ein Schluckauf durchs Gewölbe hallte. Die oberste Wäscherin konnte sich, wie es schien, nicht mehr beklagen.
»Wir waren mit dem Waschen an der Reihe, nachdem die Wäscherinnen des Palastes fertig waren«, sagte das Mädchen. »und dann waren wir fertig und sind nach oben gegangen, und sie kam, um uns ins Bett zu scheuchen, wie sie’s immer tut, und dann geht sie noch mal runter und sieht, dass alles für den Morgen bereit ist, so wie sie’s immer tut … getan hat, oh Gott, sei ihrer armen Seele gnädig.«
»Und?«, fragte Vater Guy mit scharfer Stimme.
»Als sie nicht wieder zurückkam, bin ich runter, um zu sehen, warum, und da lag sie mit ihr’m armen Kopf im Bottich. Schrecklich war das, Master, schrecklich.«
Brunes Körper lag auf dem gefliesten Boden, ihre durchnässte Haube war verschoben, sodass es aus ihren Haaren auf das ebenfalls nasse Leibchen tropfte. Ihr Rock war trocken.
»So?«, fragte Rowley und beugte sich mit dem Kopf nach unten über den Rand des Fasses.
Die junge Frau nickte. Sie presste sich ihr Waschbrett wie einen Schild vor die Brust. »Ich hab’ sie nicht rausbekommen, Master. Hab’s wieder und wieder versucht, aber sie war so schwer, also bin ich gerannt, Hilfe holen, und der da …«, sie nickte
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