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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Gitter rief: »Warum sollt’n gottesfürchtiger Mann so viel Platz für seine Straf’n woll’n, wenn er kein Dreckshund oder ’n Spitzbube iss?«
    Was eine gute Frage war. Hatten die Bischöfe von Aveyron ihrer Herde so misstraut, dass sie meinten, sie zu Hunderten einsperren zu müssen, und deshalb die Zellen so groß gebaut? Erwartete der derzeitige Amtsinhaber wohl, sie mit Katharern zu füllen?
    Am Nachmittag – wenn es denn Nachmittag war – hielten sie sich mit Singen und Rezitieren bei Laune. Einer nach dem anderen stellt sich dazu neben die Gitter, damit es alle hören konnten. Im Falle Adelias war es eine Strafe, für sie selbst wie für alle anderen, denn sie hatte die Singstimme einer verstimmten Krähe und beschränkte sich auf die Kinderlieder, die sie von Ihrer englischen Kinderfrau in Sizilien gelernt hatte. Ulfs Stimme klang ein bisschen besser, und er erzählte Geschichten von Hereward dem Geächteten und dem Kampf den der Held der Marschen gegen William, den Eroberer geführt hatte. Mansurs helle Stimme schickte Lieder aus seiner Heimat zwischen Euphrat und Tigris den Tunnel entlang. Boggart sang hübsche Balladen, die sie auf Märkten von Barden aufgeschnappt hatte. Und Rankin verfügte über einen wohlklingenden, tiefen Bass und sandte unverständliche, aber herzanrührende Lieder aus den Highlands in die Finsternis. Im Übrigen bedauerte er seine Pieps nicht dabeizuhaben, weil er sonst die Stimmung weiter hätte heben können.
    »Seine
Pieps?
«
    »Seinen Dudelsack«, kam die düstere Erklärung von Ulf. »Wenigstens bleibt uns der erspart.«
    Aus Trotz sangen sie keine geistlichen Lieder, nicht ein einziges. An diesem Ort wollten sie dem Gott keine Stimme geben, dem der Bischof von Aveyron huldigte.
    Aber sie wurden immer müder. Ihr Essen bestand aus Resten aus der Palastküche und war, immer angenommen, dass der Koch nicht hineinspuckte, von guter Qualität, reichte aber bei Weitem nicht aus, um sie bei Kräften zu halten. Adelia, die große Schmerzen in der Schulter hatte, schimpfte die Wachen aus, weil Boggart, wie sie ihnen sagte, für zwei essen müsse, aber dadurch änderte sich an den Rationen nichts, und so trat sie dem Mädchen von den ihren ab.
    Und Rowley kam immer noch nicht.
    Am Ende hörten sie auf zu singen. Hunger und Erschöpfung waren zu groß. Meist saßen sie schweigend da. Selbst Adelia hatte aufgehört zu sagen, die Länge ihrer Einkerkerung beweise, dass Aveyron auf Nachricht aus Figères warte, bevor er Weiteres unternehme – die hätte schon mehrfach kommen können.
    Und Ulf nebenan ermüdete sie noch mehr. Seine Jugend gab ihm genug Kraft, sich in wütenden Spekulationen zu ergehen. So wie er es sich ausgeklügelt hatte, war es dem Verräter nicht um Ermengarde gegangen, sondern um sie, Adelia, was er ihr durch das Gitter seiner Zelle erklärte.
    »Die waren hinter Euch her.«
    »Sie wollten Ermengarde«, erwiderte sie matt. »Sie haben uns nur zufällig mit ihr gefangen und halten uns deshalb für Katharer.«
    »Zugegeben, dass die Dreckskerle Ermengarde wollten, aber wer hat ihnen gesagt, wo sie war? Äh? Sagt mir das! Sie und Aelith, die beiden waren schon seit Monaten in dem Haus, warum sind die Kerle da ausgerechnet gekommen, als wir da waren? Äh? Das ist kein Zufall, wenn Ihr mich fragt. Dem ging’s um
Euch,
der wollte, dass sie
Euch
erwischen und als Katharerin einsperren.«
    Es gab aber noch eine einfachere Erklärung, und Adelia drückte ihr Gesicht etwas fester gegen die Stäbe, um nicht zu laut aussprechen zu müssen, was sie dachte. Es war zu schrecklich.
    »Wir waren selbst schuld, Ulf. Rowley und Locusta sind jeden Tag zu uns geritten gekommen, und zwei gut gekleidete Männer wie sie, die müssen die Aufmerksamkeit der Leute auf sich gezogen haben. Da ist einer neugierig geworden, ist den Berg hochgeklettert, um zu sehen, wohin sie wollten, hat die Katharerfrauen entdeckt und es überall herumerzählt. Gott, vergib uns.
Wir
waren schuld.
Wir
haben Aveyrons Männer zu ihnen geführt …« Sie konnte den Satz nicht beenden.
    Aber Ulf gab anderen die Schuld an ihrem Unglück, anderen, die Adelia schon vorher hatten schaden wollen. Er führte den Tod des Pferdes an, das sie abgeworfen hatte, und den Mord an Brune. »Ich sage Euch, da gibt’s irgend’n Mistkerl, der Euch vernichten will. Um
Euch
geht’s ihm, Ermengarde war ihm egal.«
    Der Hunger und das schmerzende Schlüsselbein ließen Adelia die Fassung verlieren. »Nun, dann hat er es ja

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