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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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nicht, Missus. Wir gehen jetzt runter.«
    An der Strebe des Fensters, das nach hinten auf die Dächer des Palastes hinausging, hingen Seile mit komplizierten Knoten, und auf dem Boden lag ein Enterhaken, der offenbar von unten heraufgeworfen worden war, damit er sich hinter der Strebe oder dem Mauervorsprung verfing.
    »Wer geht zuerst?«, fragte O’Donnell. »Ist leicht wie ’n Handkuss, und der gute Deniz steht unten und fängt Euch auf.«
    Er sah Adelia an. Sie schüttelte den Kopf. Wenn es so leicht war, musste Boggart als Erste die Chance zur Flucht bekommen. Aber Boggart zuckte ängstlich zurück, und Adelia würde ohne sie nicht gehen. Wahrscheinlich kann ich sowieso nicht, dachte sie, nicht mit dieser verdammten Schulter.
    »Ich gehe«, sagte Ulfs Stimme.
    War das Ulf? Diese Bohnenstange mit den tiefliegenden Augen und eingefallenen Backen? Und war die bärtige Vogelscheuche da Rankin?
    Die anderen sahen zu, wie der Ire Ulf den linken Fuß in eine Schlinge stellen ließ und ihn ermahnte, sich gut festzuhalten. »Ich lass dich nach unten, Junge. Du musst dich nur am Seil festhalten.« O’Donnell beugte sich aus dem Fenster, legte die Hände um den Mund und ließ einen Eulenruf hören.
    Von unten kam Antwort.
    »Ab mit dir, wie meine Großmutter immer gesagt hat, wenn sie ’n Hausierer von den Klippen stieß.«
    Adelia beugte sich vor und sah das Mondlicht in Ulfs fahlem Haar, die weißen Knöchel seiner sich ans Seil klammernden Hände. O’Donnell benutzte die Fensterstrebe als Drehkreuz, um ihn nach unten gleiten zu lassen. Die schwarze Tiefe schoss Adelia entgegen, und sie schreckte zurück, zwang sich jedoch, wieder hinauszusehen.
    Ulf bewegte sich nicht weiter, er steckte fest. Es gab ein Ringen mit einer verschatteten Gestalt.
    »Sie haben ihn.«
    »Wer hat ihn?« O’Donnell steckte den Kopf hinaus. »Nein, das ist Deniz. Unser Junge hat gerade den ersten Teil des Abstiegs hinter sich gebracht, das ist alles.«
    Den ersten Teil? Aber natürlich, das hier war das hintere Fenster des Turmes, und von den Dächern darunter ging es mindestens noch mal fünfzehn Meter weiter in die Tiefe. Wieder verspürte Adelia Hilflosigkeit, Hunger und Angst. Das war zu kompliziert und zu gefährlich. Boggart würde es niemals schaffen, und sie sicher auch nicht. »Warum konnten wir nicht durch die Tür vorne?«
    O’Donnell hob eine Braue. »Nun, ich glaub nicht, dass die Wachen uns gelassen hätten. Die sind sicher nicht so verschlafen wie der Bursche unten.«
    Den er getötet hatte.
    Draußen schrie eine Eule.
    »Er ist unten«, sagte der Ire und zog das Seil wieder hoch. »Der Nächste.«
    Rankin ging und keuchte fürchterlich. Nach einer Ewigkeit erst schrie die Eule wieder.
    Dann kam Mansur. Er wollte nicht vor den Frauen hinunter, aber Boggart war in Panik und Adelia wollte sie nicht allein lassen. Als der Araber hinaus ins Mondlicht kletterte, sah Adelia, wie schmutzig seine Kleidung war. Wo er doch sonst immer so makellos aussah.
    Wir stinken, dachte sie, wir alle stinken. Nur der Ire nicht. Soweit sie es im Mondlicht beurteilen konnte, sah O’Donnell sauber und beherrscht aus. Er wirkte geradezu unbekümmert, als löschte er die Fracht von einem seiner Schiffe. Er ließ Mansur in die Tiefe gleiten und pfiff leise vor sich hin. Die Muskeln spannten sich unter seinem Hemd, das vorne, wie sie wusste, mit dem Blut der getöteten Wache bespritzt war.
    Mansurs Abstieg schien noch länger als der Rankins zu dauern. Durch ihr lautes Atmen hindurch lauschte Adelia verzweifelt auf ein plötzlich ausbrechendes Schreien draußen am Fuß des Turmes, weil ihre leeren Zellen entdeckt worden waren … So viel Glück konnten sie nicht haben. Dieser mächtige Palast war voller Menschen.
    »Und jetzt die Ladies.«
    »Ich kann nich’«, sagte Boggart. »Das Baby …«
    »Das ist genau das Richtige für den kleinen Racker«, sagte der Ire mit fester Stimme. »So in der Luft zu baumeln? Das wird ihm gefallen. Nun komm schon!«
    Gemeinsam überredeten sie Boggart, den Fuß in die Schlinge zu stellen. Am schwierigsten war es, sie an der Strebe vorbei aus dem Fenster zu zwängen. Adelia knirschte mit den Zähnen bei dem Gedanken, was der Fötus in Boggarts Bauch wohl dazu sagte, so zusammengedrückt zu werden, aber dann endlich war das Mädchen draußen und sein gequältes Gesicht sank in die Dunkelheit hinab.
    Der Eulenruf kam, und O’Donnell holte das Seil erneut ein. »Kommt, Missus!«
    Adelia biss sich auf die Zähne. »Mein

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