Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
Schweines zu riechen, zu sehen, wie sie zischt und knusprig wird, bevor sie zu Asche zerfällt. Quae vide, mein Lupus. Sieh, was mir in deinem Namen gelungen ist, und sei stolz auf mich!
Boggart war jetzt still. Alle waren still. Adelias Zelle war von Allie und Musik erfüllt. Sie sah ihr Kind tanzen und mit den kleinen Händen winken.
Die Melodie wurde misstönig und verwandelte sich in ein Schlüsselrasseln.
Gott, da sind sie, Allie! Noch nicht, noch nicht! Gott, ich habe solche Angst.
Sie öffneten die Tür der Männer. Ein Handgemenge – gesegnet seien sie, sie ergeben sich nicht kampflos. Ich werde es auch nicht. Ich renne ihnen in ihre Speere. Gott sei mit mir in meiner Stunde des Todes.
Sie war so taub und blind vor Angst, dass sie nicht hörte, wie ihre Zellentür geöffnet wurde, und sie sah auch nicht das Licht, das auf sie fiel, auf sie, die dahockte und Boggart an sich drückte.
Dann stand Mansur vor ihr und streckte ihr die Hand hin. Ja, ich gehe mit dir. Bleib nur nahe hinter mir, versprich, dass du nahe hinter mir bleibst.
Ulf und Rankin, sie waren alle da. Und hinter ihnen noch jemand, der etwas sagte … über Schuhe?
»Zieht sie aus!«, sagte er. »Steckt sie euch hinter den Gürtel! Ist die Frau bei Sinnen? Und Boggart? Mäuschenstill jetzt.«
Sie hatte die Stimme schon einmal gehört, hatte den Mann schon gesehen, nur sein Name wollte ihr nicht einfallen. Aber da war jetzt Ulfs Gesicht. »Kommt, Missus, auf geht’s.« Er beugte sich zu ihr hinunter und zog ihr den Schuh aus, den einzigen, den sie hatte.
Sie waren draußen im Tunnel und folgten der Fackel, die der fremde, vertraute Mann hielt.
Die Treppe hinauf, wo eine Gestalt in der Aveyron-Uniform lag. Mit durchgeschnittener Kehle.
Der fremde, vertraute Mann steckte die Fackel in eine Wandhalterung und ließ sie dort zurück. Im Licht schimmerte das Blut der toten Wache nass.
Weiter hinauf, in die Halle des Palastes. Düster, von einem einzigen
flambeau
erleuchtet. Körper lagen in den Schatten der Nischen. Waren die auch tot?
Nein, sie schliefen. Bedienstete. Adelia konnte sie schnarchen hören. Es war also noch Nacht. Der Boden schien sich endlos weit auszudehnen, wie ein See, bis zur Tür nach draußen zum Platz. Unmöglich, ihn zu überqueren, ohne die Schläfer zu wecken.
Sie fand wieder zu sich, die Panik wurde durch ein Gefühl wilder Furcht und Hoffnung ersetzt, während ihre nackten Füße geräuschlos über die Kacheln eilten und dem Mann folgten …
Es war der Ire.
O’Donnell half ihnen zu fliehen. Rowley hatte ihn geschickt, um sie hier herauszuholen.
Aber er holte sie nicht heraus. Statt auf den Ausgang zuzusteuern, führte er sie zum Turm, in dem sie zu Anfang eingesperrt gewesen waren. Die Tür war offen. Er stand daneben und winkte sie an sich vorbei, damit sie vor ihm hinaufstiegen. Wir waren da oben schon, dachte sie. Da führt kein Weg hinaus. Ich traue ihm nicht, ich traue ihm nicht.
Aber sie konnte nicht stehenbleiben und zu argumentieren beginnen. Einer der schlafenden Körper nicht weit entfernt murmelte etwas und bewegte sich. Mansur, Ulf und Rankin waren bereits am Fuß der Treppe und wandten den Kopf, um sich zu versichern, dass sie und Boggart ihnen folgten. Schnell schob Adelia Boggart in den Turm und folgte ihr, den Iren hinter sich. Als er die Tür schloss, quietschten die Angeln und schnitten ihr in die Nerven. Sie blieb wie angewurzelt stehen und wartete darauf, entdeckt zu werden. Stattdessen jedoch bekam sie einen Schubs, und der Ire zischte: »Heilige Muttergottes, nun bewegt Euch schon!«
Schwärze hüllte sie ein. Hinauf jetzt, die sich im Kreis windende Treppe hinauf, tastend an Türen von Vorratsschränken entlang, einige von ihnen offen, andere geschlossen, alle schienen leer. Adelia flüsterte unwillig über die Schulter: »Warum steigen wir hier hinauf, statt zu sehen, aus dem Palast rauszukommen?«
»Das hier
ist
der Weg nach draußen. Macht schon.«
Es ging ihr an die Kraft, es ging allen an die Kraft, die Treppe hinaufzusteigen, so geschwächt waren sie. Boggart schluchzte um Luft und fing an zu wanken. Adelia musste mit ihrem unverletzten Arm den Hintern des Mädchen finden und sie weiterschieben.
Ein unverdeckter Mond schien in den Raum oben, aber besser noch war die Nachtluft, die durch die Fenster strömte und nach Feldern und Weite roch. Sie sogen sie in ihre pumpenden Lungen.
Boggart sank erschöpft zu Boden, aber der Ire zog sie gleich wieder auf die Füße. »Noch
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