Der Fluch des Andvari (German Edition)
Projekt Andvaranaut?“
„Zum Besten“, begann Thor. „Wir haben einen entscheidenden Fund gemacht, den ich Ihnen anhand dieser Skizzen erläutern will.“
Er wählte eine Datei aus und integrierte sie in das Netmeeting, so dass seine Gesprächspartner die Darstellungen sehen konnten.
Andvaranaut, überlegte Brünhild, der Ring des Zwergen Andvari. Versonnen betrachtete sie das Schmuckstück an ihrem linken Ringfinger. Die Gier der Menschen kannte keine Grenzen. Aber selbst ihre eigene Sippe war vor den Verlockungen des Goldes nicht gefeit gewesen. Doch der Besitz des Ringes bedeutete den Tod. Jeder, der ihn bislang besessen hatte, war durch die Hand eines anderen getötet worden - Hreidmar, Fafnir, Sigurd, Hagen, Kriemhild, Neumann, Wolff. Jetzt war das Schicksal an Brünhild. Würde sie den Fluch brechen können?
Sonntag, 23. April
Das Wochenende war schnell vergangen. Hannah hatte die gemeinsame Zeit mit ihren Eltern in Hamburg genossen, wenngleich sie viel über die anstehende Geburtstagsfeier gesprochen hatten. Die Vorbereitungen waren fast abgeschlossen. Jetzt war sie froh, wieder in Mainz zu sein. Hier hatte sie ihr eigenes Leben. Julia war noch im Badezimmer, wusch sich, bevor es ins Bett ging. Morgen früh musste sie wieder zur Schule. Auch Hannah stand ein anstrengender Tag bevor, doch sie würde noch aufbleiben. Es war nicht einmal 21 Uhr. Sie wollte den Abend mit einer guten Flasche Wein ausklingen lassen.
Da erschien Julia im Wohnzimmer, barfuß, mit einem lila Schlafanzug bekleidet und einem Taschenbuch in der Hand. „Darf ich die Geschichte noch zu Ende lesen?“
Sie hatte während der Heimfahrt mit dem Buch begonnen und es fast geschafft. Prüfend sah Hannah ihre Tochter an.
„Es sind nur noch zehn Seiten“, fügte das Mädchen schnell hinzu.
Hannah nickte wohlwollend. „Aber danach machst du das Licht aus, ohne dass ich noch mal bitten muss. Sonst ist das Reiten morgen gestrichen. Einverstanden?“
„Okay.“
„Dann ab ins Bett, Prinzessin.“
Gemeinsam gingen sie in Julias Zimmer. Auch hier herrschten Magier und Feen, ein Raum voll mystischer Elemente. Das Mädchen kuschelte sich in das flauschige Bett.
„Am Dienstagabend hat uns Bea zum Bowling eingeladen. Hast du Lust?“, fragte Hannah beiläufig.
„Klar“, antwortete Julia freudig und vertiefte sich bereits in das Buch.
„Schlaf gut, mein Schatz“, sagte Hannah und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Träum was Schönes.“
„Ich hab dich lieb, Mama.“
„Ich hab dich auch lieb.“
Dann verließ Hannah das Zimmer, schloss die Tür und ging zur Küche hinüber. Für einen Moment stützte sie sich gegen die Arbeitsplatte und starrte nach draußen in die dunkle Nacht. Müdigkeit kroch in ihr hoch, die Anstrengungen der langen Fahrt. Das Wochenende hatte sie auf andere Gedanken gebracht.
Sie hatte schöne Stunden mit ihrer Tochter erlebt. Fast vergessen war der grausame Mord. Hannah war versucht, die ganze Sache zu verdrängen. Was konnte sie schon ausrichten, wenn selbst die Polizei machtlos schien? Gedankenversunken entkorkte sie eine Weinflasche und schenkte sich ein. Was würde Julia sagen, wenn sie erfahren würde, dass ihre Mutter Detektiv spielte? Nein, Hannah war keine Kriminalistin, sie hatte Verantwortung für ihre Tochter, das Leben war schon schwer genug für sie, wenngleich sie es sorgenfrei gestalten könnte - wenn sie wollte. Aber sie wollte auf eigenen Füßen stehen, etwas Eigenes erreichen.
Das Telefon klingelte.
„Jenning“, meldete sie sich.
„Hallo, Hannah. Alles in Ordnung? Gut nach Hause gekommen?“
Es war Steffen Hansen, der junge Mann aus dem Vorstand ihres Vaters. Sie hatten sich am Samstagabend in der elterlichen Villa beim Abendessen getroffen, aber nur wenig Zeit für ein privates Gespräch gehabt, was Hannah schon etwas bedauerte. Es hatte ihr gefallen, wie er erneut mit ihr geflirtet hatte.
„Das ist lieb, dass du anrufst, Steffen“, entgegnete sie gelöst. „Uns geht‘s gut. Julia ist bereits im Bett.“
Hannah mochte Hansen, sie unterhielt sich gerne mit ihm. Sie hatten viele Gemeinsamkeiten. Er hatte ihr seinerzeit Trost gespendet, als ihr Bruder verunglückt war. Das erste Mal hatte sie ihn auf der Beerdigung gesehen, an der Seite ihres Vaters. In den folgenden Wochen war Hansen oft in der elterlichen Villa zu Besuch gewesen, wie Hannah auch. In dieser schweren Zeit hatte sie begonnen, Zuneigung für Hansen zu empfinden, bis sie im Januar miteinander geschlafen
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