Der Fluch des Andvari (German Edition)
die sie so grausam getäuscht hatten. Brünhild verzehrte ihre Seele in Gram. Einsam saß sie da zu den Abendzeiten, konnte nur an Sigurd denken - ihn wollte sie haben oder doch sterben. Ihr Hass gegen Gudrun kam schließlich zum Ausbruch, als sie eines Tages mit ihr im Rhein badete. Sie äußerte gegenüber Gudrun, dass sie das Wasser nicht berühren mochte, dass von deren Körper strömte, denn ihr Gatte war ein ruhmreicher König und hatte ihre Kraft bezwungen, wohingegen Gudruns Gatte nur der Knecht eines Königs war. Gudrun reagierte wütend und zürnte, dass Sigurd Brünhilds erster Mann gewesen war, denn er hatte sich mit ihrer Kraft gemessen und ihr den Ring abgenommen, den Gudrun nun am Finger trug, den einstigen Treuebeweis Sigurds. In diesem Augenblick erkannte Brünhild den Verrat. Gedemütigt verlangte sie von ihrem Gatten den Tod Sigurds. Dieser willigte nach langem Zögern ein, doch mehr um des Hortes als der Rache willen.
Und wieder kam Verrat ins Spiel, als der gedungene Mörder von Gudrun die einzige Stelle erfuhr, an der Sigurd verwundbar war. So fand der große Held schließlich den Tod durch fremde Hand - wie der Fluch des Ringes es beschwor. Doch noch grausamer traf es Brünhild selbst. In goldener Rüstung, die sie einst als Walküre getragen hatte, machte sie sich bereit, ihrem toten Geliebten zu folgen. Niemand konnte sie zurückhalten, als sie sich mit dem Schwert durchbohrte. Sterbend ordnete sie ihre Totenhochzeit an und bat, dass man sie mit Sigurd auf einem Scheiterhaufen verbrennen möge. Aber der Fluch des Ringes, der sie längst erfasst hatte, brachte den Tod nur durch fremde Hand. Ihre eigene Hand, die sie zur Selbsttötung erhoben hatte, ließ sie zu einer Wanderin zwischen der Welt der Lebenden und der Toten werden. Um nicht im Delirium zu versinken, brauchte sie die Herzen junger Frauen, eines Jungbrunnens gleich. Nur das Schwert Suaforlamis, verborgen im Hort der Nibelungen, würde sie von diesem Schicksal befreien können. So setzte sie all ihre Hoffnung auf die Männer des Ordens, die die Spur des Schatzes wiedergefunden hatten.
Versonnen schweifte ihr Blick hinauf zum Dachgeschoss eines der Häuser. Dort wohnte Hannah Jenning mit ihrer Tochter. Die beiden schienen ein sorgloses Leben zu führen und doch war ihr Schicksal untrennbar mit dem Orden verflochten. Sie waren ein Teil der Gemeinschaft, ohne es zu ahnen.
Kapitel 2
Erkenntnisse
Montag, 24. April
Unruhig wälzte sich Hannah in ihrem Bett hin und her, träumte. Wirre Bilder zogen an ihr vorüber. Erneut sah sie den dunklen Ritter an dem Torbogen stehen. Seinem stechenden Blick schien nichts zu entgehen. Unablässig musterte er die vorbeiziehenden Leute, während seine rechte Hand auf dem Schwertgriff ruhte. Er schien bereit, jederzeit zuzuschlagen. Hannah versuchte, das Innere der Burg zu erreichen. Als wäre sie eine der Reisenden ging sie über die breite Zufahrtsstraße auf das Tor zu. Schaudernd vermied sie dabei, den dunklen Ritter anzuschauen. Dennoch glaubte sie, seinen Blick unablässig zu spüren. Im Schutz eines Ochsenkarrens durchquerte sie schließlich das Tor und betrat den Burghof. Jäh umgab sie dunkelste Nacht, nur vereinzelt funkelten Sterne am Himmel. Die Zinnen, Mauern und steinernen Gebäude wirkten gespenstisch. Hannah war völlig allein, tat zögerlich einige Schritte auf dem sandigen Boden. Plötzlich öffnete sich die Tür des Palas‘, des Hauptgebäudes. Gebannt verharrte Hannah. Flackerndes Fackellicht erhellte die Öffnung, dann erschienen mehrere Gestalten in dunklen Kutten. Wie damals, als Hannah von der toten Frau geträumt hatte. Erschrocken wich sie zurück. Abrupt stieß sie gegen etwas Weiches und wandte sich hastig um. Es war die blonde Frau. Ihre blauen Augen funkelten böse, verengten sich. Ihre Hände zuckten hervor, griffen nach Hannahs Hals. Ein zischender Laut entrang ihrem Mund.
Abrupt schrie Hannah auf, schreckte aus dem Schlaf. Sie keuchte, ihr Herz pochte wild. Schweißgebadet saß sie aufrecht im Bett, ihr Blick irrte durch das dunkle Zimmer. Sie versuchte krampfhaft, die Bilder zu verdrängen. Zitternd schaltete sie die Nachttischlampe ein und schwang sich aus dem Bett. Für einen Moment blieb sie noch auf der Kante sitzen, atmete mehrmals tief ein und aus, versuchte weiterhin, sich zu beruhigen. Eine solch heftige Vision hatte sie nie zuvor gehabt.
Sie schaute zum Radiowecker. Es war bereits Zeit zum Aufstehen. So verließ Hannah das Schlafzimmer, lauschte kurz an
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