Der Fluch des Andvari (German Edition)
verraten.“
Der Kommissar grinste flüchtig. „Sie können sich gar nicht vorstellen, in was für ein Wespennest Sie gestochen haben.“
Seine Worte ließen sie aufschrecken. „Was wollen Sie mir damit sagen?“
„Ich will Sie nicht unnötig beunruhigen. Aber es könnte sein, dass die Tote, die Sie gefunden haben, Opfer eines Serientäters ist.“
„Sie meinen diese Jack-the-Ripper Morde?“
„Bislang ist es nur eine Vermutung. Ich will Sie da nicht mit hineinziehen.“
„Ich stecke aber wohl schon mitten drin“, bemerkte sie angespannt.
„Noch ist es zu früh, um ...“
Sie ließ nicht locker. „Ich würde mich besser fühlen, wenn Sie mit mir reden würden.“
Der Kommissar schaute sie nachdenklich an.
„Bitte“, bat sie mit Nachdruck. „Ich möchte die Wahrheit wissen.“
Der nächtliche Überfall ging ihr näher, als sie sich zugestehen wollte. Wenngleich sie das Gefühl hatte, dass der Unbekannte ihr hatte nichts antun wollen. Er wollte nur den Brief hinterlassen, und sie hatte ihn dabei zufällig überrascht. Aber wieso?
„Nun, wenn Sie ...“, begann Röwer.
„Ich mache Ihnen einen Kaffee. Und dann wecke ich meine Tochter. Okay?“
„Okay. Gern.“
Hannah ging in die Küche, wo sie eine Tasse Kaffee aufbrühte und schließlich dem Kommissar brachte.
Er beschäftigte sich mit dem Runenschriftstück. „Oh, vielen Dank.“
Rasch eilte Hannah in Julias Zimmer. Das Mädchen hatte von dem Zwischenfall nichts mitbekommen. Um ihre Tochter nicht zu beunruhigen, erklärte Hannah ihr, Röwer wäre ein bekannter Autor, der sich vergangene Woche beim Verlag vorgestellt hatte und sie heute Morgen spontan zur Arbeit bringen wollte. Julia kommentierte es mit einiger witzigen Anspielung, doch letztendlich schien sie die Geschichte zu glauben.
Als sie später die Schule erreicht hatten und das Mädchen über den Hof lief, entschuldigte sich Hannah bei Röwer: „Es tut mir leid wegen heute Morgen. Sie halten mich jetzt sicherlich für schrecklich egoistisch. Aber Sie können sich nicht vorstellen ...“
„Nein, Sie haben Angst. Das ist völlig verständlich“, beschwichtigte er. „Kommen Sie, ich lade Sie zum Frühstück ein. Sie müssen hungrig sein.“
Sein Angebot beschämte sie. „Aber nur, wenn wir teilen.“
„Einverstanden.“
Seine Freimütigkeit machte sie neugierig. Sie wollte wissen, was es mit dem Brief auf sich hatte. An ihre Arbeit beim Verlag dachte sie nicht. Sie konnte kommen und gehen, wann sie wollte. Jetzt hatte sie wieder Feuer gefangen an den Hintergründen dieser brutalen Mordserie.
Den ganzen Morgen schon folgte der dunkle BMW der Spur von Kommissar Röwer. Jetzt standen sie vor dem Gutenberg-Gymnasium.
„Und nun sei schön fleißig in der Schule“, imitierte Holler die Mutter und lachte.
Er saß am Steuer des Wagens und beobachtete die Szenerie. Die Rothaarige hatte sich bereits von ihrer Tochter verabschiedet und war wieder zu Röwer in den Passat gestiegen. Das Mädchen winkte seiner Mutter noch einmal kurz zu, bevor es im Trubel der Schulkinder verschwand.
„Ein süßer Fratz“, stellte der Beifahrer fest. „Genauso hübsch wie die Mutter.“
Dem konnte Holler nicht widersprechen. Doch Skrupel kannte er nicht – wenn er sie töten sollte, würde er sie töten.
„Jetzt bin ich gespannt, wo die hinfahren“, meldete sich der Beifahrer erneut.
„Na, was werden die wohl jetzt machen“, kommentierte Holler trocken.
In sicherem Abstand folgte er Röwer. Er musste aufpassen, dass er ihn nicht verlor, denn es herrschte dichter Berufsverkehr. Mit einem Kameraden observierte Holler den Kommissar seit dem Morgen. Was für ein Zufall, dachte er dabei. Eigentlich hatte er erst am Nachmittag ein Wiedersehen mit Hannah Jenning geplant. Warum hatte Röwer sie zu Hause abgeholt? Nach einer Vorladung sah das nicht aus.
Die Fahrt ging über die Augustus- und Kaiserstraße Richtung Rheingoldhalle.
Ein weiterer Umstand bereitete Holler Kopfzerbrechen. Röwer war am Samstag auf der Ronneburg gewesen. Woher wusste er von diesem Ort? Zufall war es bestimmt nicht. Höchste Wachsamkeit war geboten. Auch war seinen Männern die Brünette nicht entgangen, mit der Röwer mehr als eine Stunde im Café zusammen gesessen hatte. Mittlerweile wusste Holler, wer die Frau war. Vor Tagen schon hatte Steinhagen Röwers Telefone anzapfen lassen und bekam regelmäßig die Gesprächsprotokolle. Die Frau war keine Informantin, sondern scharf auf den Kommissar. Die Dialoge, die
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