Der Fluch des Andvari (German Edition)
Peinlichkeiten zu beenden.
„Das ist die beste Idee des Abends“, stimmte Röwer zu.
Daraufhin gingen sie zum Tresen, um sich Schuhe auszuleihen. Viele Fragen brannten Hannah auf der Zunge, sie suchte den Blickkontakt mit Beate, doch sie konnte in Gegenwart ihrer Tochter nichts fragen. Das Kartenhaus aus Lügen würde sofort einstürzen. Alle taten sie fröhlich, als sie sich anschließend Kugeln nahmen und mit dem Bowlen begannen. Dabei war jeder einzelne in seinem Netz aus Lug und Trug gefangen. Nur Julia war ungezwungen und begeistert bei der Sache. Sie genoss ihre guten Würfe, freute sich, dass sie den Erwachsenen Paroli bieten konnte. Sie war nah dran, das zweite Spiel zu gewinnen, doch der zehnte Wurf ging völlig daneben. Röwer siegte schließlich.
Jetzt hatte Hannah genug. Beate schloss sich an. Aber Julia wollte unbedingt noch eine Runde bowlen. So ließ sich Röwer breitschlagen, den Kontrahenten zu übernehmen.
„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, Bea?“, nutzte Hannah die Gelegenheit, als ihre Tochter mit den Würfen beschäftigt war. Sie saß neben Beate und fuhr leise fort: „Du hättest es mir sagen müssen.“
„Was?“, entgegnete sie lächelnd. „Dass ich nicht alleine komme?“
Leichte Verärgerung stieg in Hannah hoch. Ihr waren die ständigen Zärtlichkeiten, die Beate und Röwer austauschten, nicht entgangen. „Genau das.“
„Oh, Hanni. Ich hatte gehofft, du freust dich, wenn ich dir endlich meinen Herzbuben zeige.“
„Wie lange kennt ihr euch schon?“
Jetzt lachte Beate auf. „Seit dem Wochenende.“
„Und du schläfst mit ihm?“
„Hanni“, reagierte sie erschrocken. „Bist du eifersüchtig?“
Sie wurde rot im Gesicht. „Wie kommst du denn darauf?“
„Du verhältst dich wie ein Schulmädchen, das man mit einem Kondom erwischt hat.“
„Du weißt schon, wer er wirklich ist?“, stotterte sie.
„Er ist ein Kriminalbeamter. Ja, und? Aber warum hat Julia ihn einen Dichter genannt?“
Hannah zögerte einen Moment. „Das ist eine lange Geschichte. Es hat mit dieser Mordserie zu tun.“
„Beschäftigst du dich noch immer damit?“, erboste sich Beate.
„Nein“, widersprach sie hastig.
„Das solltest du auch nicht, Hanni. Das ist Sache der Polizei.“
Verlegen blickte Hannah zu Röwer. Was sollte sie erwidern? Ihr Leben war in Gefahr, in Mainz lief eine Untote herum, Männer mordeten aus reiner Machtgier. Hannah konnte nicht untätig bleiben! Sie war unmittelbar betroffen. Der Kommissar war auf ihre Unterstützung angewiesen. Jetzt hatte er ihre Gefühle verletzt.
Er konzentrierte sich auf seinen Wurf, den letzten, nahm kurz Anlauf, warf. Sieben Pins fielen um. Julia freute sich diebisch, denn noch hatte sie eine Chance zu gewinnen. Es war die zehnte und entscheidende Runde.
Zeig‘s ihm, Prinzessin, fieberte Hannah innerlich.
Julia schaffte einen Stroke, bekam die dritte Kugel. Sie warf, verharrte gebannt an der Linie, die Kugel rollte. Acht Pins fielen um. Julia schrie freudig auf.
„Super“, bestätigte Röwer, klatschte mit ihr ab. „Du hast gewonnen.“
„Das war wirklich große Klasse, mein Schatz“, ergänzte Hannah und umarmte ihre Tochter glücklich. Und etwas schadenfroh zu Röwer: „Sie haben verloren.“
„Man kann nicht immer gewinnen“, erwiderte er trocken.
„Wollen wir noch etwas trinken?“, fragte Beate.
„Nein“, entgegnete Hannah bestimmt. „Es ist schon spät. Julia muss ins Bett.“
„Och, Mama.“
„Deinen Erfolg feiern wir ein anderes Mal. Sonst bist du morgen früh nicht ausgeschlafen.”
Kompromisslos packte Hannah die Kugeln ins Regal zurück. Sie hatte keine Lust mehr auf die fortgesetzte Gegenwart des Kommissars. Der Abend war völlig anders verlaufen, als sie sich vorgestellt hatte. Jetzt wollte sie nur nach Hause, sich verkriechen und allein sein.
Als sie am Tresen standen, um zu bezahlen, kam Röwer auf Hannah zu. „Warum sind Sie sauer auf mich?”
„Ich bin nicht sauer”, protestierte sie. „Ich bin nur müde.”
„Natürlich sind Sie sauer.”
Hannah erwiderte nichts, sah ihn nur provokant an.
„Steht das Angebot mit dem Frühstück noch?”, fragte er.
„Wenn’s denn sein muss. Aber seien Sie pünktlich.”
„Keine Sorge. Das ist eine meiner größten Tugenden.”
Dann war Hannah an der Reihe und bezahlte die Spiele. Ohne viele Worte verabschiedete sie sich und ging mit Julia zum Auto.
Frankfurt am Main. Tiefste Nacht lag über der Stadt.
Angespannt ging Holler in
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