Der Fluch des Andvari (German Edition)
der Hotelsuite von Steinhagen auf und ab. Sein Blick schweifte immer wieder zu dem Funktelefon, das auf dem Schreibtisch stand. Steinhagen saß ruhig in dem dicken Ledersessel und trank einen Whisky. Der Ausdruck seiner Augen war schwer zu deuten.
Holler hatte die Rothaarige den ganzen Tag lang beschattet. Am Morgen hatte sie ihre Tochter zur Schule gebracht und war zum Verlag gefahren. Am Abend waren sie im Bowling-Center gewesen. Ein ganz normaler Tag, wäre da nicht das Treffen mit Kommissar Röwer gewesen. Er hatte sich an einem öffentlichen Platz mit ihr getroffen, in der Hoffnung, seinen Feinden dadurch zu entgehen. Den Inhalt des Gesprächs hatte Holler zwar nicht mitbekommen, doch der Zweck des Treffens war eindeutig. Röwer hatte neue Informationen erhalten, einen ganzen Aktenkoffer voll. Hollers Kamerad hatte Fotos gemacht, die vor Steinhagen auf dem Tisch lagen.
„Mehr haben Sie mir nicht anzubieten?“, fragte er betont gelassen.
„Dieser Röwer ist ein schlauer Fuchs. Wären wir näher an ihn herangegangen, hätte er uns bemerkt.“
„Worüber haben die beiden gesprochen?“
„In dem Aktenkoffer waren Zeitungsartikel und Fotos.“
„Das ist nicht zu übersehen. Ich hätte gerne Antworten auf meine Fragen.“
„Tut mir leid, Herr Steinhagen. Wir ...“
Jäh schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. „Verdammt! Wofür bezahle ich Sie?“ Mit versteinertem Gesicht sah er Holler an. „Erst das Dossier, jetzt der Aktenkoffer. Wer hat Röwer diese Informationen gegeben?“
„Den Aktenkoffer hat er vom Frankfurter Bahnhof“, wiederholte Holler. „Vielleicht hatte sein Onkel einen Helfer. Vielleicht hat Röwer von ihm den Koffer bekommen.“
„Vielleicht, vielleicht“, brauste Steinhagen auf. „Ich will Fakten, keine Vermutungen! Wollen Sie wissen, wie ich die Sache sehe?“
Holler verharrte gespannt.
„Der alte Röwer hatte einen Informanten. Ihre Männer haben damals seine brisantesten Akten nicht gefunden, weil er sie geschickt versteckt hatte. Jetzt ist der junge Röwer in ihren Besitz gelangt. Wissen Sie, was das bedeutet?“
„Sie meinen, jemand aus dem Orden hat ihn damals informiert?“
„Damals? Ihre Männer haben zwar den alten Röwer eliminiert, aber der Spitzel ist noch immer aktiv.“
„Ein Wort von Ihnen, Herr Steinhagen, und der Mann ist tot“, versuchte Holler zu punkten.
„Wenn ich seinen Namen kenne, gehört er Ihnen. Jetzt nehmen sie sich erst einmal den Kommissar vor. Sie haben es selbst in der Hand, Ihre Qualitäten zu beweisen.“
„Wie lautet der Auftrag?“
„Schnappen Sie sich Röwer und drehen Sie ihn durch die Mangel. Überzeugen Sie ihn davon, seine Ermittlungen einzustellen. Aber töten Sie ihn nicht. Erst muss er uns erzählen, was er weiß und dem BKA verschwiegen hat. Vielleicht erfahren wir sogar ...“ Steinhagen stockte. „Nein. Ich habe eine bessere Idee.“
Holler sah den Mann überrascht an.
„Hören Sie mir genau zu, Holler. Morgen nach der Schule geht die kleine Jenning wieder zum Reiten. Besorgen Sie sich zuverlässige Männer. Dann schnappen sie sich das Mädchen und bringen es an einen sicheren Ort. Aber ohne viel Aufsehen.“
„Was wollen Sie denn mit dem Gör?“
„Sie ist nur der Köder.“
„Und die Rothaarige? Sollen wir die auch ...?“, fragte Holler lüsternd.
„Was grinsen Sie so?“, unterbrach Steinhagen abrupt. „Denken Sie nicht einmal daran. Sie tun nur das, was ich Ihnen sage. Und im Moment lassen Sie Ihre Finger von der Frau. Wenn Sie Ihre Triebe unbedingt befriedigen wollen, dann gehen Sie ins Bordell. Die Damen dort erfüllen Ihnen jeden Wunsch.“
Zorn stieg in Holler hoch, doch er unterdrückte eine entsprechende Äußerung.
Plötzlich klingelte das Funktelefon. Steinhagen hob ab. Er wechselte nur wenige Worte mit seinem Gesprächspartner, machte sich Notizen. Als er aufgelegt hatte, blickte er Holler ernst an. „Scheint so, dass unser Kommissar einen illegalen Lauschangriff auf meine Telefone plant. Das war mein Freund vom BND.“
„Sie sind wirklich genial, Herr Steinhagen.“
„Sparen Sie sich das, Holler“, entgegnete er barsch. „Solche Worte beeindrucken mich überhaupt nicht.“
„Entschuldigung.“
„Jetzt führen Sie meine Befehle aus. Und keine Pannen morgen. Haben Sie mich verstanden?“
„Sie können sich auf mich verlassen, Herr Steinhagen.“
„Das hoffe ich in Ihrem Interesse. Und jetzt lassen Sie mich allein.“
Er griff nach einer Mappe und schlug sie auf.
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