Der Fluch des Andvari (German Edition)
Anschlag. Konzentriert musterte er den Getöteten.
Der Kommissar erhob sich, zielte auf den Mann und rief: „Kriminalpolizei! Lassen Sie die Waffe fallen!“
„Keine Panik“, erwiderte der Schütze angespannt. „Wir stehen auf derselben Seite.“ Achtsam ging er auf den Maskierten zu, bückte sich und prüfte den Puls des Mannes.
Röwer blieb abwartend, die Pistole noch immer erhoben. „Weg mit der Waffe!“, forderte er erneut.
Der Mann steckte seine Pistole in die Gürtelholster und wandte sich dem Kommissar zu. „Ich hole jetzt meinen Ausweis heraus. Okay?“ Langsam griff er zur Innentasche seines Jacketts.
Röwer ließ sich nicht irritieren. Erst als der Mann näher herankam, erkannte der Kommissar ihn. Er hatte ihn auf Jennings Geburtstagsfeier gesehen.
„Steffen Hansen. Ich bin Ermittler der Steuerfahndung.“ Er zeigte ihm den aufgeklappten Ausweis.
Der Kommissar musterte das Dokument skeptisch. „Steuerfahndung? Sie arbeiten doch für Jenning.“
„Natürlich. Aber das ist nur Tarnung.“
Röwer glaubte ihm. „Und welche Absichten verfolgt das Finanzamt in diesem Fall?“
Hansen grinste. „Vermutlich dieselben wie Sie, Herr Kommissar.“
„Und die wären?“
„Eine Möglichkeit zu finden, den Orden des Andvari zu zerschlagen.“
Röwer ließ seine Pistole sinken. „Was wissen Sie darüber?“
„Ihnen die ganze Geschichte zu erzählen, würde jetzt zu lange dauern.“
„Dann versuchen Sie es mit der Kurzfassung.“
„Nun, ich bin nicht nur Bundesbeamter und Mitarbeiter von Jennings. Ich bin auch Mitglied eines Geheimbundes, der sich Wächter des Lichts nennt.“
Der Kommissar stutzte. „Diesen Ausdruck habe ich schon einmal gehört.“
„Von mir.“
„Dann sind Sie …?“
„… der Informant. Genau. Ich habe Ihrem Onkel die entscheidenden Hinweise gegeben und Ihnen den Schlüssel zum Bankschließfach zugestellt.“
„Warum ich? Wieso wenden Sie sich mit Ihren Erkenntnissen nicht an das BKA oder den Verfassungsschutz?“
„Weil alle Bundesbehörden vom Orden infiltriert sind. Das sollten Sie doch mittlerweile erkannt haben. Für das BKA ist der neueste Fall nur die Tat eines Trittbrettfahrers. Die Informationen, die ich Ihnen überlassen habe, sollten Ihnen helfen, die tatsächliche Wahrheit ans Licht zu bringen.“
„Die Wahrheit?“, empörte sich der Kommissar. „Ihnen ist doch wohl klar, dass Sie damit mein Leben gefährdet haben. Und das von Frau Jenning und ihrer Tochter.“
„Das ist mir bewusst, Herr Röwer. Aber nur weil Sie die Wahrheit kennen, sind Sie noch am Leben. Ansonsten wären Sie längst tot, so wie die vielen Menschen, die sich unbedacht gegen Brünhild stellten.“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Das Ziel unserer Gemeinschaft, der Wächter des Lichts, ist es, die Menschen vor den bösen Mächten zu schützen. Eine besonders teuflische Erscheinungsform ist die Walküre Brünhild, die durch Habgier ungewollt wiedererweckt wurde. Seit vielen Jahren schon beobachte ich diesen Dämon und den Orden, der sie versteckt. Dabei kam mir zugute, dass meine Behörde mich vor fünf Jahren in Jennings Unternehmen einschleuste, um gegen den Mann wegen Steuerhinterziehung zu ermitteln. Ich gewann damit tiefe Einblicke in seine geschäftlichen Aktivitäten und Verbindungen zum Andvari-Orden. Nach dem Mord im vergangenen Jahr leitete ich einige Informationen an Ihren Onkel weiter, in der Hoffnung, er könnte das seinige zu diesem Fall beitragen. Sie kennen mittlerweile viele der Details, Herr Röwer. Ihrem Onkel hat es leider nicht geholfen, und es tut mir wirklich Leid um ihn. Genauso wie um Ihren Kollegen. Ich kam zu spät, um ihn zu warnen.“
„Dann sind Sie schon länger hier draußen?“
„Ich bin Steinhagen vom Hotel gefolgt.“
„Er ist der Meister des Ordens, nicht wahr?“
Hansen lächelte süffisant. „Wie kommen Sie darauf?“
„Erleuchten Sie mich mit Ihrer Weisheit“, antwortete Röwer verärgert. „Oder wollen Sie es mir nicht sagen?“
„Es ist nicht Steinhagen … es ist Reinhold Jenning. Er ist der Meister.“
Es überraschte Röwer nicht sonderlich. „Warum haben Sie es mit keinem Wort meinem Onkel gegenüber erwähnt?“
„Weil es egal ist, ob Sie es wissen oder nicht“, entgegnete Hansen trocken. „Kein Richter würde einen Haftbefehl unterschreiben. Sie sind alle korrupt. Es gibt nur eine Möglichkeit, den Ordensmeister auszuschalten.“
„Ihn töten, das meinen Sie doch, nicht wahr?“
Hansen nickte.
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