Der Fluch des Andvari (German Edition)
schaute auf seine Armbanduhr. Noch war Zeit, um zu bleiben und Jenning zu beobachten. Aber jetzt würde er erst einmal Beate anrufen. Vielleicht hatte sich Hannah bei ihr gemeldet. Als er wählen wollte, klingelte das Handy erneut. Es war die Nummer des Professors. Der Kommissar nahm den Anruf an.
Doch der Professor ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich habe eine unglaubliche Entdeckung gemacht“, begann er aufgeregt. „Wir müssen uns so schnell wie möglich treffen.“
„Was haben Sie entdeckt, Professor?“, fragte Röwer besonnen.
„Das kann ich Ihnen am Telefon nicht sagen. Es betrifft eine Frau namens Hannah Jenning. Kennen Sie die?“
„Ja“, erwiderte er wie elektrisiert. „Professor, was haben Sie gefunden?“
„Sie müssen diese Frau finden, denn sie ist nicht die, für die sie alle halten. Sie wird unser Verderben sein.“
„Wovon sprechen Sie?“
„Von Ragnarök.“
„Ragna… was?“
„Das ist die germanische Vorstellung vom Weltuntergang.“
Röwers Herz schlug heftig. „Was haben Sie herausgefunden?“
„Machen Sie sich auf den Weg nach Ingelheim. Ich warte auf Sie.“
Der Kommissar wollte etwas erwidern, doch die Verbindung war bereits getrennt. Für einen Moment verharrte er geschockt. Was meinte der Professor damit, dass Hannah Jenning nicht die wäre, für die sie alle hielten? Was hatte sie mit dem Ende der Welt zu tun? Die Ungewissheit wühlte ihn auf. Damit war Röwers Mission in Hamburg beendet. Die Beschattung Jennings musste er Hansen überlassen. Die Wahrheit über die Frau war ihm wichtiger. Und das Telefonat mit Beate würde er während der Fahrt führen.
Als er in den Flur hinaustrat, kam ihm Jenning entgegen.
„Ah, gut, dass ich Sie treffe, Herr Röwer.“
Der Kommissar sah ihn überrascht an.
„Es tut mir wirklich leid … die Sache mit Steffen Hansen“, bedauerte Jenning. „Ich hätte mir gewünscht, dass Hannah Ihnen das selber gesagt hätte.“
„Sie sind doch nicht gekommen, um mich zu bemitleiden“, stellte Röwer fest.
Jenning grinste flüchtig. „Ja, Sie haben Recht.“ Er haderte einen Moment. „Ich wollte Ihnen einen freundschaftlichen Rat geben.“
„Tatsächlich.“
„Hannah hat mir von Ihren Ermittlungen in der Mordserie erzählt. Ich rate Ihnen … überlassen Sie die Sache dem BKA.“
Die Worte Thors, hätte der Kommissar beinahe gespottet. Hannah hätte gar nichts ausplaudern müssen, als Ordensmeister wusste Jenning sowieso von seinen Recherchen.
„Es könnte tödlich für Sie enden.“
„Mit diesem Risiko lebe ich, seit ich Polizist geworden bin“, entgegnete Röwer trocken.
„Seien Sie kein Narr. Bleiben Sie hier, bis Hannah wiederkommt. Dann kann Sie mit Ihnen über alles reden.“
„Ich habe meine Koffer bereits gepackt.“ Demonstrativ hob er die Sporttasche an. „Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.“
Mit diesen Worten ließ er den Verleger stehen, ging den Korridor entlang und stieg die Treppe hinunter.
Verärgert sah Jenning dem Kommissar nach. Der Mann rannte blind in sein Verderben. Sobald er die Villa verlassen hatte, konnte niemand mehr für seine Sicherheit garantieren. Das Schicksal nahm nun seinen Lauf. Rasch griff er zu seinem Handy und wählte eine einprogrammierte Nummer.
„Rogatus“, meldete sich sein Gesprächspartner.
„Wo bist du jetzt?“
„Auf der A1 bei Osnabrück.“
„Bist du noch an ihnen dran?“
„Ja. Es sieht so aus, als ob sie gleich eine Pause machen. Was gibt es bei dir?“
„Steffen Hansen kam zum Frühstück und behauptete, Hannah und Julia wären heute mit ihm zum Picknick unterwegs. Röwer hat daraufhin vor wenigen Minuten gekränkt die Villa verlassen.“
„Das gefällt mir nicht, Reinhold. Du darfst Hansen nicht aus den Augen lassen.“
„In Ordnung. Wir bleiben in Verbindung.“
„Bis später.“
Jenning legte nervös auf.
Zwei Stunden war Hannah mit ihrer Tochter bereits auf der Autobahn Richtung Süden unterwegs. Die Nacht im Hotel hatte sie tief und traumlos geschlafen. Sie fühlte sich erschöpft. Ihre Anspannung war nicht gewichen. Im Gegenteil - sie wuchs von Stunde zu Stunde.
Grund war der Brief, den sie heute Morgen auf der Türschwelle ihres Hotelzimmers gefunden hatte. Der unbekannte Verfasser hatte von den Merowingern und ihrem Kampf gegen Brünhild geschrieben, von einem uralten Adelsgeschlecht und den Wächtern des Lichts. Doch oblag es einer Frau, diesen jahrhundertealten Kampf zu beenden - des Jägers Tochter würde das Schicksal
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