Der Fluch Des Bierzauberers
getrieben, über die Hügel jenseits der Aller hinweg. Die Weferlinger Brausaison war mit erstklassigen Bieren eröffnet worden. Die Keller waren voll und das Bier wartete auf durstige Kehlen. Cord Heinrich, der bereits auf die Sechzig zuging, saß im Brauhaus und schrieb Tabellen. Sein Rücken erlaubte es ihm immer weniger, sich zu seiner vollen, imposanten Größe aufzurichten, daher saß er lieber. Ulrich war auf der Darre und schaufelte Malz, während beide sich freuten, bei diesem Wetter, wo man keinen Hund vor die Tür jagen würde, einen behaglich warmen Arbeitsplatz zu haben. Währenddessen hörte der alte Mann Geklapper von Kutschenrädern auf dem Pflaster des Hofes, Türen wurden zugeschlagen, Gesprächsfetzen und Flüche drangen bis ins Brauhaus. Unverkennbar Anton, der sich mit einer herrischen, befehlsgewohnten Stimme herumstritt. Dann trat Ruhe ein, anscheinend war Einigung erzielt worden. Kurze Zeit darauf erschien Anton und ersuchte Knoll, er oder Ulrich mögen dem hohen Gast doch einen großen Krug frisches Bier kredenzen.
Knoll erwiderte erstaunt. »Soll der hohe Herr doch in den Ratskeller gehen!«
»Das habe ich ihm auch gesagt, aber er insistiert, das Bier direkt aus der Brauerei zu kosten«, erwiderte Anton.
Also machte Knoll sich auf in den Keller und füllte den Besucherkrug, den sie sich für genau diese Fälle hatten anfertigen lassen. Es war ein Trinkgefäß in Form einer Muskete und fasste etwa vier Liter. Das wurde den hohen Besuchern gereicht. Die, die es in einem Zug austrinken konnten, wurden ins Stammbuch der Brauerei Weferlingen eingetragen. Die Liste war noch recht kurz. Vorsichtig, als trüge er kostbares Glas, manövrierte er das schwere Gefäß in Antons Kontor, wo der seltsame Gast auf das Bier wartete. Ein mittelgroßer, leicht dicklicher, vornehmer Herr in schicker Reiseuniform, der sich dazu, der Kälte wegen, noch einen grellroten, wollenen Tuchmantel über die Schultern geworfen hatte, erhob sich, als Knoll die Stube betrat. Jedoch nicht aus Höflichkeit Knoll gegenüber, sondern um das Bier angemessen zu begrüßen. Erst jetzt, da er zwei Schritte auf Knoll zukam, bemerkte dieser die Prothese am rechten Bein des Mannes.
»Unser hoher Gast, der hochgeborene Prinz Friedrich von Homburg«, stellte Anton den Besucher vor, der dies selbst nicht für nötig erachtete.
»Ah, ein frisches Bier«, war alles, was seinem Mund entfuhr. Beinahe gierig stürzte er den Trunk in sich hinein.
Das letzte Mal hatte Knoll im Krieg einem Söldner derart beim Saufen zusehen können. Der Prinz gab jedoch bei der Hälfte des Musketenkruges auf, seufzte laut vor Wohlbehagen, und dann entlockte ihm das Bier schließlich doch ein Wort des Lobes: »Köstlich, köstlich, Euer Bier. Schon lange habe ich nicht mehr so etwas Gutes getrunken.«
Knoll nahm das Lob mit einer Grimasse und einem Achselzucken hin. Seine schlechte Meinung über die oberen Zehntausend hatte sich seit dem Krieg nicht geändert.
Der Hessenprinz bemerkte die Geringschätzung und fuhr Knoll an. »Was glaubt Ihr, wen Ihr vor Euch habt. Ja, für Euch Männer vom Land sind wir Edelmänner immer noch epikureische Weltkinder, die alle Tage mit Saufen und vollem Magen verbringen, oder? Ede, bibe, lude, post mortem nulla voluptas, nicht wahr?«
Knoll, der des Lateinischen mächtig war, verstand den letzten Satz des Prinzen problemlos: ›Iß, trinke, spiele! Nach dem Tode gibt es keine Begierden mehr‹.
Das Letzte, was er wollte, war Streit mit einem Unbekannten, einem Prinzen dazu, der zudem noch sein Bier gelobt hatte. Er schüttelte den Kopf und bat zerknirscht um Vergebung.
Das Getränk zeigte schnell seine Wirkung und machte auch den Prinzen versöhnlich. Er setzte erneut an, trank den Krug leer und gab ihn mit den Worten zurück: »Merkt Euch mein Antlitz, mein lieber Bierbraumeister, wir werden uns sicher wiedersehen und hoffentlich gute Freunde werden.« Dann humpelte er zurück zu seiner Kutsche, während Knoll aus dem warmen Haus der Karosse des Prinzen zusah, wie diese bei der Abfahrt über das blanke Eis schlitterte.
Die Gerüchteküche Weferlingens rumorte schneller als erwartet: »Unser Herr von Königsmarck wird uns mitsamt dem ganzen Amt verkaufen.«
»Ein neuer Junker wird seinen Platz einnehmen.«
»Er soll ein vornehmer, reicher Kriegsheld sein.«
»Und er bringt eine wunderschöne Prinzessin mit.«
Die Hoffnungen, die von den Einheimischen in den neuen Besitzer gesetzt wurden,
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