Der Fluch Des Bierzauberers
Bruder,
danke für Deinen Brief. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann ist unser Vater bei Dir und nicht nach Amerika gesegelt. Das freut und beruhigt mich von ganzem Herzen. Mein Mann hat mir viel erzählt von Euren Reisen; dass Du ein tapferer, aufrechter Mann geworden bist. Fleißig und anständig. Daher habe ich auch meinem Schwiegervater gut zugeredet, Sophia Dich besuchen zu lassen. Sie liebt Dich seit Jahren und würde Dich gern heiraten. Die Zustimmung ihres Vaters dazu kannst Du allein daran erkennen, dass er Sophia schließlich die Erlaubnis zu dieser Reise gegeben hat. Das wäre wunderbar! Dann wären wir alle zusammen eine große Familie: wir hier in Bitburg, ihr dort in Weferlingen! Richte Vater aus, man sucht ihn immer noch. Wann immer Menschen von hier nach Amerika gehen, befehlen die Jesuiten ihnen, nach ihm Ausschau zu halten. Ich wünsche mir so sehr, dass wir alle in Frieden leben können. Ungeduldig erwarte ich eure Antwort.
Deine geliebte Schwester Lisbeth Magdalena.
Ulrich heiratete Sophia Flügel noch im selben Monat. Nach dem Sommer war Knolls nächstes Enkelkind bereits unterwegs. Das Familienglück war perfekt.
Der Besitzer des Amtes Weferlingen, der General von Königsmarck, hatte inzwischen die erbliche Grafenwürde erhalten. Beim Ausbruch des Kriegs zwischen Schweden und Polen ging er 1656 nach Preußen und kämpfte dort zusammen mit dem Prinzen von Homburg auf schwedischer Seite, wurde aber kurz nach der Eroberung Danzigs gefangen genommen und sollte bis zum Jahr 1660 einsitzen.
Ganz allgemein ging es langsam, aber sicher aufwärts in Brandenburg. Kürfürst Friedrich Wilhelm hatte sich endgültig durchgesetzt, teils gegen heftigen Widerstand, die Landwirtschaft zu fördern, unter anderem auch durch verstärkte Zuwanderung aus dem Ausland. Verfolgte Hugenotten und andere religiöse Minderheiten kamen seinem Aufruf nur zu gern nach. Er riss Handelsbarrieren nieder, förderte den Binnen- und den Seehandel, ließ Kanäle bauen und verbesserte den Postdienst.
Der Zweite Nordische Krieg war in Weferlingen kaum zu spüren, sah man von der haftbedingten Abwesenheit seines Besitzers einmal ab.
Das Ende des Jahres 1653 brachte noch einmal große Unruhe, nicht nur in Weferlingen, sondern im gesamten Fürstentum. Der Kurfürst hatte dringend viel Geld für sein stehendes Heer benötigt und daher mit den Ständen nach langen Verhandlungen Einigung erzielt. Fünfhundertdreißigtausend Taler auf sechs Jahre wurden ihm genehmigt. Im Gegenzug erhielten die Stände, und somit der Landadel, die Erlaubnis, die arme Landbevölkerung noch weiter schinden zu dürfen. Ab sofort war jeder, der seine persönliche Freiheit nicht mit Dokumenten belegen konnte, automatisch unfrei. Mit dieser Regelung wurde jahrhundertealtes Gewohnheitsrecht urplötzlich ausgehebelt. Fieberhaft suchten alle Bauern nach den begehrten Nachweisen der Freiheit. Die, die nicht fündig wurden – und das waren nicht wenige –, mussten ihre Höfe verkaufen oder sich, um sie behalten zu dürfen, in weitere, fatalere Abhängigkeit vom Landadel begeben.
Cord Heinrich Knoll konnte zum Glück seinen Bitburger Bürgerbrief vorweisen, Ulrich seinen Gesellenbrief als Brauer, sonst hätte auch Anton ihnen nicht helfen können. Und wieder einmal konnte Knoll über die Obrigkeit fluchen, »die nichts anderes im Sinn hat, als uns zu schikanieren, anstatt an das Wohl des gemeinen Volkes zu denken.«
5.
Wieder einmal war viel Zeit ins Land gegangen. Sophia und Ulrich hatten bereits zwei kleine Kinder – zwei weitere waren kurz nach der Geburt gestorben –, die Weferlingen und Umgebung unsicher machten. Ein schmuckes und gar nicht mal kleines Haus hatte Ulrich sich gebaut, in der Nähe der Brauerei, nah am Fluss gelegen. Mit richtigen Fenstern aus Glas. Jetzt, wo er sich als bestallter Amtsbraumeister fühlen konnte, noch dazu mit Frau und Kindern, stand ihm mehr zu als die Schlafstube neben dem Brauhaus. Sophia hatte das Haus mittlerweile in ein kleines Paradies verwandelt, in dem die Kinder sowie die Eltern sich gleichermaßen wohl fühlten. Cord Heinrich, Opa Knoll, wie ihn seine Enkel riefen, lebte ruhig und zurückgezogen in der alten Gesellenstube, die er früher mit seinem Sohn geteilt hatte.
Man schrieb das Jahr 1661. Es war ein äußerst kalter Oktobertag, Eisregen hatte die meisten Wege bereits unpassierbar gemacht. Kleine, schwarze Wolken trieben, wie von einer Peitsche des eisigen Windes
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