Der Fluch Des Bierzauberers
an denen das Genie Galilei seinerzeit noch gescheitert war.
Ulrich setzte das Wetterglas kurz nach Saisonbeginn jedoch mit großem Erfolg im Gärkeller ein, wie er seinem Vater erklärte: »Hier ist die Lufttemperatur ja wichtiger als im Brauhaus, weil die so ähnlich ist wie die Temperatur vom gärenden Bier.«
Sein Vater zitierte sofort den Spruch, den jeder Brauer im Schlaf aufsagen konnte: »›Zu kaltes Bier schiebt die Hefe nicht gerne! (Bedeutet: Gärt nicht gut!) Und bei zu warmem Bier, da geht das Beste mit der Hefe fort.‹« Und klopfte wieder einmal voller Stolz seinem Sohn auf die Schultern.
Für all diese Neuheiten nahte die Stunde der Bewährung in der Praxis, als der September 1652 sich dem Ende zuneigte. Cord Heinrich war, trotz seiner angegriffenen Gesundheit, guten Mutes und voller Vorfreude aufs Bierbrauen. Die letzten Tage bis zum Michaelitag konnte er kaum erwarten. Er lief herum, pfiff kleine, schräge Melodien und murmelte in einem Singsang bier-philosophische Sprüche vor sich hin, wie: »›Malz ist der Leib des Bieres, das Wasser die Schuhe, in denen es läuft, der Hopfen aber ist das Gewand des Bieres.‹«
Die Saison lief hervorragend. Die Biere waren die besten – dank ausreichender und guter Hopfen- und Gerstenlieferungen – die Knoll seit über zwanzig Jahren getrunken zu haben glaubte. Sogar ein Ruhranfall Ulrichs, der ihn zum Jahresende für längere Zeit niederstreckte und dem Alten alle Arbeit aufbürdete, konnte ihnen nichts anhaben. Eine Weile machte Knoll sich mehr Sorgen um seinen Sohn als um seine eigene Gesundheit, letzten Endes stand dieser geschwächt, aber genesen, wieder im Brauhaus und rührte den Maischescheit.
4.
Im Sommer des folgenden Jahres beschloss Cord, seiner Tochter einen Brief zu schreiben. »Zu lange hat sie nichts von mir gehört. Sicher sorgt sie sich um mein Wohlhergehen«, murmelte er. Nur, wie konnte er an Lisbeth Magdalena schreiben, ohne dass die Zensur herausfand, wo er sich jetzt aufhielt? Die Trierer Jesuiten waren sicher immer noch sehr daran interessiert, seiner habhaft zu werden. Es half alles nichts, sein Sohn musste eingeweiht werden. So nahm er zwei Krüge, setzte sich mit Ulrich in die Stube und machte ihm ein Geständnis; er erzählte vom Mord an dem Jesuiten, und dass dies der eigentliche Grund gewesen war, zu ihm nach Weferlingen zu kommen.
»Das verfluchte Jesuitenpack vermutet mich in Amerika, in Maryland«, prostete Cord seinem Sohn verschmitzt lächelnd zu.
Ulrich grinste zurück. »Die Gelegenheit ist günstig, auch ich habe zu beichten«, und gab die Regensburger Episode vom Hauptmann Hernandez zum Besten.
Knoll fiel fast vom Stuhl, erst vor Überraschung, dann vor Lachen. »Habt ihr zwei Prachtburschen diesen hundsföttischen Saufkopf tatsächlich vom Leben zum Tod befördert«, prustete er in seinen Krug hinein. »Nun, auch diese gute Nachricht müssen wir unseren lieben Bitburgern leider vorenthalten.«
Der Brief wurde dann von Cord entworfen, nach der Methode des Trithemius verschlüsselt und so, da Knoll Senior nicht selbst den Federkiel führen wollte, von Ulrich abgeschrieben. Er enthielt keinerlei pikante Details. Lediglich, dass es ihm, Ulrich, hier gut ginge, er sich freuen würde, von seiner Schwester zu hören und er hiermit auch herzliche Grüße an seinen besten Freund und dessen Schwester ausrichte. Nur mit einer kurzen Zeile erwähnte er, in Gebetsform, ›der Vater ist mit mir und wohlauf‹, voller Zuversicht, dass seine kluge Schwester dies richtig verstehen würde. Dann versiegelten sie den Brief, gaben ihn auf und hofften, eine baldige Antwort zu erhalten.
Der Herbst brachte böse Orkane, die über die Magdeburger Börde fegten; Hagel zerfetzte die Hopfengärten und ließ die Brauer, wie zu Kriegszeiten, wieder das Schlimmste befürchten. Und so wurde das grüne Gold erneut zur begehrten Mangelware. So begehrt, dass Herrscher wie der Kurfürst von Sachsen den Wucher beim Hopfenkauf per Gesetz verbieten lassen musste. Von Königsmarck war keine Hilfe zu erwarten, das Amt Weferlingen musste mit der Krise allein klar kommen. Der Rückfall in alte, kriegsähnliche Zeiten ließ die beiden Weferlinger Brauer nicht verzweifeln. Beide fühlten sich erfahren genug, den Widrigkeiten des Hopfenmangels zu trotzen. Solange es wenigstens gute Gerste gab. Also versuchten sie, wieder einmal, auch ohne Hopfen wohlschmeckende, bekömmliche Biere zu brauen. Mit Würzmitteln, die zwar aus der
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