Der Fluch Des Bierzauberers
neuartigen Drehkreuzes konnten sie nun das Bier um ein Drittel stärker und nahrhafter machen, ohne mehr Gerste als sonst zu benötigen. Die Bitburger begannen so langsam wieder, ihre Brauer zu schätzen. Denn, wie Bürgermeister Oetz es formulierte: »Bier zählt auch in Kriegszeiten zur unumgänglichen Notdurft und soll uns das feinste aller Getränke sein. Weiter so, wackere Brauherren!«
14.
Der Wind jagte um die Mauern des Stadthauses und des Schulhauses, die den Kirchplatz der Liebfrauenkirche begrenzten und wirbelte die bereits braunen Blätter auf. Trotz der frühen Tageszeit und der Tatsache, dass ein Unwetter in der Luft lag, war der Platz gut gefüllt. Unter den Bitburgern, die voller Ungeduld auf das angekündigte Schauspiel warteten, befanden sich auch Magdalena und ihr Gatte Cord Heinrich Knoll. Die Kinder hatten sich ganz nach vorn gedrängt und waren mittlerweile aus dem Blickfeld ihrer Eltern entschwunden. Knoll war, an diesem Spätsommertag des Jahres 1637, erst nach einigem guten Zureden mitgekommen. Die Saison ging bald los, er wollte alles gut vorbereitet wissen.
»Ein wenig Zerstreuung könnte dem Herrn Braumeister, unserem verehrten Herrn Knoll, nicht schaden«, hatte Magdalena gespöttelt.
»Was soll ein Jesuitentheater schon an Zerstreuung bieten?«, hatte Knoll aus seiner mangelnden Wertschätzung für diesen Orden kein Hehl gemacht. Die Abneigung hatte sich in den letzten Monaten verstärkt, da Knoll den Jesuiten mittlerweile sogar Geschäftsschädigung verwarf. »Die Kuttenträger preisen dieses neuartige Getränk aus Spanien, das man Schokolade nennt, nun sogar als Fastenspeise an und reden den Leuten das Bier aus.« Als Brauer verstand er da natürlich keinen Spaß. Und zumindest im spanischen Herrschaftsgebiet und für die, die es sich leisten konnten, lag er durchaus richtig mit seinem Vorwurf.
Die sonstigen Einschätzungen Knolls wurden den Jesuiten allerdings nicht gerecht und zeugten in erster Linie von Unwissenheit, denn diese erwiesen sich als wahre Meister der Theaterkunst. Ihre Vorstellungen waren weithin berühmt, ihre Bruderschaft hatte bereits Dramatiker hervorgebracht, wie den Pater Jacob Bidermann, der sich selbst für eine katholisch-motivierte Ausgabe des vor einigen Jahren verstorbenen William Shakespeare hielt. Die Jesuiten stürzten ihr Publikum immer in ein Wechselbad der Gefühle; biblische Szenen zur religiösen Erbauung wechselten sich mit finsterster Dramatik ab, Szenen aus dem Krieg wurden ebenso vorgeführt wie komödiantische Possen, bei denen die Zuseher sich die Bäuche hielten vor Lachen. Das Theater sollte den Menschen einen Spiegel vorhalten. So gehörten die pralle Lebensfreude und der höfische Glanz ebenso dazu wie eine tiefe Religiosität und eine von den apokalyptischen Geißeln der Zeit – Krieg, Pest und Hungersnot – bestimmte Todesahnung. Die Art der Jesuiten, mit unchristlichen Unsitten umzugehen, wie Prophezeiungen, Astrologie und magischen Praktiken, war, diese im und durch das Theater lächerlich zu machen. Auf diese Weise sollten sogar Ketzer wieder zurück in den Schoß der Kirche finden. Im Laufe der Jahrzehnte hatten die Jesuiten ihre Kunst perfektioniert und auf ein Niveau gebracht, welches selbst Kritikern des Ordens Bewunderung abnötigte. Da wurden für eine Vorstellung Windmaschinen installiert und Flugapparate aufgebaut. Erfahrene Jesuiten nutzten Lichteffekte oder es wurden Schnürböden aufgebaut, von denen sie Engel und andere Figuren herabschweben ließen. Die durchschnittliche Vorführung dauerte mittlerweile acht Stunden, obwohl es auch schon mehrtägige Veranstaltungen gegeben hatte. Und all dies im Dienst der jesuitischen Pädagogik …
Die Trierer Theatertruppe der Jesuiten war im gesamten Bistum Kurtrier bekannt, von Koblenz bis nach Metz und Verdun reisten sie und hatten bereits auf allen größeren Plätzen der Region gespielt. Auch in Bitburg waren sie einige Jahre zuvor schon einmal gewesen. Die Leitung hatte derzeit Bruder Jakobus inne, ein junger Pater von mittlerer Statur und unauffälligem Aussehen, mit äußerst frommen, rigiden Ansichten und großem Ehrgeiz. Er wollte nicht bis an sein Lebensende Theater spielen und, um dieses Ziel zu erreichen, musste er möglichst viele Ketzer bekehren. Die, die er nicht bekehren konnte, hätte er wahrscheinlich gern gefoltert oder verbrannt. Jetzt rief Jakobus lautstark Befehle über die Baustelle. Er selbst spielte nicht mit, er hatte sich lediglich
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