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Der Fluch Des Bierzauberers

Der Fluch Des Bierzauberers

Titel: Der Fluch Des Bierzauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Thoemmes
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vorbehalten, einige besonders lehrreiche Passagen auf der Bühne persönlich zu rezitieren. Bald stand die Bühne, mit deren Aufbau die Truppe vor dem Morgengrauen begonnen hatte. Der Kirchplatz war mittlerweile komplett gefüllt. Es gab Buden, an denen Speisen verkauft wurden. Oder Tand. Oder kandierte Früchte. Und das mitten im Krieg! Sogar Libretti des zu erwartenden Stücks hatte ein geschäftstüchtiger Drucker kurzerhand angefertigt und bot sie zum Verkauf an. Das Stück begann mit einem Choral. Die Handlung war Nebensache. Je bunter und lauter das Bühnenbild, desto besser. Auf der Bühne stand ein Schurke, der wurde anschaulich mit Weidenruten traktiert, während er seinen gespielten Schmerz laut hinausbrüllte. Das Publikum klatschte Beifall. Es gab einen überheblichen französischen General, der einen Kardinal zurechtwies: »Schweig still, er ist es nicht wert, mir die Steigbügel zu küssen, geschweige denn zu halten!«

    Die Menge buhte. Jetzt verwandelte sich der General. Er trug einen weißen Filzhut mit grüner Feder, wie einst der Schwedenkönig, als er in Frankfurt eingeritten war.

    »Der Löwe aus Mitternacht«, murmelten einige Zuschauer ergriffen. Auch wenn er früher der verhasste Feind gewesen war, als Toter war er zur Legende geworden. Ihm gegenüber stand ein anderer Mann, ebenfalls als General verkleidet. Ihm hatte man ein Namensschild um den Hals gehängt.

    »Der böse alte Teufel Tilly«, murmelte Knoll ergrimmt. Es ging um Magdeburg. Knolls Atem stockte.

    Der Schwedenkönig wollte Tilly maßregeln: »Gott verleiht einem den Sieg nicht, damit man ihn wie ein schlechtes Almosen wegwirft.«

    Tilly verteidigte sich: »Die Zerstörung des Ketzernestes war ein großer Sieg, den haben wir nicht weggeworfen!«

    Da die Zuschauer nicht, wie vom Regisseur gewünscht, für Tilly Partei ergriffen, sah sich Bruder Jakobus gezwungen, einzuschreiten. Er betrat die Bühne. In diesem Moment ging eine Veränderung in dem Geistlichen vor, die Knoll präziser registrierte als die meisten anderen Zuschauer: Von einem unauffälligen Mönchlein verwandelte sich der Jesuit in eine geifernde, fröstelnd machende Furie.

    Er schrie wie von Sinnen: »Alles ist von Gott gewollt. Die Welt bietet ein solches Ansehen, dass alle Pestilenzen, Krieg, Aufruhr, Missgeburten, Naturereignisse und das große Sterben, aber auch Hass und Unfriede unter den Königen Zeichen des göttlichen Strafgerichts sind. Gottes Himmelsrute peitscht soeben auf uns nieder. Und ganz besonders auf die Ketzer! Der edle Feldherr Johann t’Serclaes Graf von Tilly, Gott sei seiner Seele gnädig, hatte natürlich die Wahrheit gesagt. Auch unser heiliger Vater, Papst Urban VIII., war der gleichen Meinung. Der Tag der Zerstörung Magdeburgs war ein großer Tag und ein vernichtender Schlag gegen die Ketzerei!« Er holte tief Luft, während Knoll jeden Moment damit rechnete, dass der Tobende anfinge, Feuer zu spucken, und ihm ein schwefliger Gestank entweichen würde. »Denn wie steht es geschrieben im neunten Psalm: ›Du schiltst die Heiden und bringest die Gottlosen um, ihren Namen vertilgest du auf immer und ewiglich.‹ So erkennet man, dass der Herr Recht schaffet.« Anschaulich wurde daraufhin eine Puppe, welche die Häresie der Protestanten darstellen sollte, auf der Bühne von echten Hunden in Stücke gerissen, während Bruder Jakobus auch den Psalm elf zitierte: »Der Herr wird regnen lassen über die Gottlosen Blitz, Feuer und Schwefel und wird ihnen ein Wetter zum Lohn geben.« Nun wusste das Publikum, wem es zuklatschen und wen es ausbuhen sollte. Knoll hingegen hatte genug gesehen und gehört. Seine Nasenflügel weiteten sich, als er mit kräftigem Ausspucken seine Verachtung zeigte und wortlos den Kirchplatz verließ. Den Rest des Stückes schaute Magdalena allein an und war verblüfft von der Tricktechnik und den dargebotenen Illusionen. Ein Palast stürzte ein, das Meer wogte und wechselte gar die Farbe. Wolken zogen über die Bühne hinweg. Feuersbrünste tobten. Gelächter und Tränen. Applaus. Dann war die Vorstellung vorüber.

     
    Es wurde Abend, der Platz leerte sich, während die Jesuiten und ihre Helfer die Bühne abbauten, Requisiten einsammelten und ihre Kostüme abstreiften. Mittlerweile hatte das Unwetter an Stärke zugelegt. Der Sturm zerrte an den Bäumen, riss die Dachziegel von den Häusern und zerschmetterte sie in den engen Gassen. Bruder Jakobus war der Letzte, der den Marktplatz verließ. Ein abschließender,

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