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Der Fluch Des Bierzauberers

Der Fluch Des Bierzauberers

Titel: Der Fluch Des Bierzauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Thoemmes
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einer schönen Frau zu erblühen, seine Tochter so richtig wahrnahm und kennenlernte. Fast lebte er wieder ein wenig auf. Denn Lisbeth erwiderte die Zuneigung, die Knoll ihr plötzlich entgegenbrachte und kümmerte sich um die angeschlagene, verwundete Seele ihres Vaters.

    Er lehrte sie, sich im Lesen und Schreiben, das sie gleichwohl bereits recht gut beherrschte, weiter zu vervollkommnen. Sie dagegen unterrichtete ihn in der im Bitburger und Trierer Umland weit verbreiteten französischen Sprache, die er trotz seiner langen Jahre in Bitburg nie anständig erlernt hatte. Neben dem Bitburger und dem Trier-Moselfränkischen Dialekt beherrschte er mittlerweile ein wenig Luxemburgisch sowie ein paar Brocken Spanisch. Halt so viel, wie die einfachen Leute in dieser Stadt – an der Grenze mehrerer Länder – können mussten, um sich ohne Probleme zu verständigen. Leider aber nicht mehr. Und Französisch war, obwohl die Sprache des Feindes, auch die Sprache der wohlhabenden Bürger der Stadt. Dazu hatte es jedoch nie gereicht bei ihm. Es hatte ihn auch niemals gekümmert. Bis Lisbeth, die hier aufgewachsen war, sein Interesse für diese Sprache weckte.

    Dazu versorgte sie ihn mit dem Futter fürs Gemüt, wie sie es nannte. Mit Büchern, die neue Ideen durch Europa transportierten, wie die Lehre der neuen Vernunft des kürzlich verstorbenen René Descartes. Ebenso wie die Werke der Engländer Francis Bacon und Thomas Hobbes. All das war in französischer Sprache, die viele für die Sprache des Fortschritt hielten, in gedruckter Form und überall erhältlich. Je mehr sie voneinander lernten, desto besser konnten sie über Vernunft und Wahrheit, Logik und Glauben debattieren. Stundenlang widmeten sie sich nun einem Thema, wie dem berühmten Satz von Descartes ›Je pense, donc je suis‹ – ›Ich denke, also bin ich‹ –, und seiner Bedeutung.

    Lisbeth war trotz ihrer Jugend eine ebenbürtige Diskussionspartnerin. Wenn sie erregt einwarf: »Descartes hat es geschafft, die Vernunft vom Glauben zu trennen!«, dann erwiderte ihr Vater, der bisweilen zu seinem eigentümlichen Humor zurückfand: »Descartes hat sicher noch niemals ein richtig gutes Bier getrunken!« Die Ratlosigkeit in Lisbeths Miene ermunterte ihn, weiter zu sinnieren. »Wenn Descartes behauptet, Farben, Gerüche und Geschmack seien nicht messbar und könnten deswegen keinen Anspruch auf Wahrheit erheben wie zum Beispiel ein Körper, dann irrt er ganz gewaltig.« Er hob einen Krug Bier: »Wenn auch dieses Bier, bedingt durch den Krieg, leider ein schlechtes Beispiel ist, so riecht dieses Bier doch angenehm, schmeckt köstlich und diese bernsteinerne Farbe bezeugt diese Eindrücke. Dieses Bier ist wahrhaftig und wirklich, ganz egal, was diese Philosophen sagen.« Dann nahm er einen tiefen Schluck und grinste seine Tochter schelmisch an. »So weit zu Descartes. Wen soll ich als Nächstes degradieren? Den Hobbes?«

    Lisbeth konnte ihn jedoch meist wieder in ruhigeres Fahrwasser zurückführen, zumal Hobbes’ Schriften aus Erfahrungen des Großen Krieges stammten und in prägnanten Sätzen wie ›Homo homini lupus‹ – ›Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf‹ – gipfelten, denen beide Knolls vorbehaltlos zustimmten. Auch die Verhaftung Galileis und ihre Folgen waren Gründe heftiger Debatten. Knolls Gemüt klarte auf, während er gleichzeitig immer menschenscheuer wurde.

     
    Zum weiteren Zeitvertreib begann er, gemeinsam mit Lisbeth, Geheimschriften zu studieren. Codierungen und Verschlüsselungen, mit denen man Briefe für Außenstehende unleserlich machen konnte. Lisbeth hatte ihm ein Buch über den berühmten Abt Trithemius aus Trittenheim bei Trier geschenkt. Dieser Mann, der eigentlich Johannes Zeller geheißen hatte, war ein vielseitiger Gelehrter, aber auch ein Hexentheoretiker gewesen. Knolls Sympathie besaß er deswegen, weil er sogar als Abt in den Ruf des Hexenwerks geraten war und seine Bücher deswegen auf den päpstlichen Index gelangt waren. Dieser Trithemius hatte sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts die bis dahin kompliziertesten bekannten Buchstabenverschlüsselungen ausgedacht und niedergeschrieben. Der Trick bestand darin, einzelne Buchstaben durch fromme Anrufungen zu ersetzen, sodass der codierte Text wie ein frommes Gebet aussah. A hieß ›Clemens‹, B hieß ›Creator‹, C hieß ›Pius‹, E hieß ›Dominus‹ und so weiter. Stunden- ja tagelang spielte Knoll mit Chiffremöglichkeiten des Trithemius herum und schrieb

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