Der Fluch Des Bierzauberers
geräumt; leer und teils abgebrannt, gab es dort nichts, was noch von Wert für Tilly gewesen wäre. Die Südenburg war klein und von wenig Interesse. So konzentrierte sich alles auf die drei nördlicher gelegenen Stadttore der großen, wohlhabenden Altstadt. Zwei weitere südlichere Tore, das Südenburger-Tor, direkt beim Dom gelegen, sowie das Ulrichstor wurden noch sicher gehalten; also waren die Lukasklause, das Krockentor sowie die Hohe Pforte im Norden als Angriffsziele ausgemacht worden.
Elbseitig gab es nur ein Tor. Die beiden Schanzen auf der anderen Uferseite, die Krockow’sche und die Zollschanze, waren bereits seit längerem unter der Kontrolle der katholischen Armee, und die schmalen Brücken, an denen sich hinter den Schanzen das Holzmarschtor, die Zugbrücke und das eigentliche Elbestadttor befanden, waren teilweise zerstört worden. Bewacht wurden sie nur, damit niemand auf diesem Weg aus der Stadt fliehen konnte.
Johannes hatte beschlossen, dass sie beide durch das Krockentor in die Stadt einfallen wollten, welches Tilly, zusammen mit der Hohen Pforte, seiner Truppe zugeteilt hatte. Pappenheims Soldaten hingegen würden hauptsächlich durch die Lukasklause hineinstürmen. »Beim Krockentor, da sind gleich zwei Kirchen, St. Augustin und St. Jakob, und jede Menge reiche Bürgerhäuser mit fetten Pfeffersäcken gleich drum herum«, frohlockte er vorab.
Die Stadttore waren bald gestürmt und die reiche Hansestadt lag vor ihnen wie auf dem Silbertablett. Als Magdalena dann mit den johlenden Soldaten, etwa sechsundzwanzigtausend an der Zahl, in die gefallene Schönheit eindrang, spürte sie gleich, dass heute irgendetwas anders war. Des Öfteren hatten sich die Truppen bereits über Ortschaften und Städte hergemacht, die es gewagt hatten, dem Kaiser und der Katholischen Liga zu trotzen. Aber noch nie war die Stimmung so aufgeladen gewesen wie heute. Gewalt, Zorn, Übermut, Siegestaumel und Lüsternheit lagen in der Luft, dies allerdings vielfach verstärkt durch Unmengen an Wein und Bier, die Tilly seinen Truppen für die Siegesfeier bereitgestellt hatte. Magdalena hatte ein äußerst ungutes Gefühl, eine dumpfe Vorahnung, dass heute noch mehr Gräueltaten passieren würden als sonst. Sie wollte nur schnell hinein in die Stadt, zusammenraffen, was halbwegs von Wert erschien, und wieder hinaus. Natürlich wusste sie, dass es immer Landsknechte gab, die Frauen schändeten und Bürger quälten, um deren Geldverstecke zu erfahren. Aber meist in einem Rahmen, bei dem die Feldherren beide Augen zudrückten. Heute, das spürte sie bereits am frühen Morgen, würde alles anders ablaufen.
So ließ sie sich gleich zu Beginn nach hinten fallen, während ihr Mann Johannes an vorderster Front losstürmte. Er, der mittlerweile einer der dienstältesten der gemeinen Soldaten war, hatte so viel erlebt, dass ihn andere Männer seines Zuges bereits für ›gefroren‹, also für unverwundbar, hielten. Tatsächlich trug Johannes in seinen Taschen diverse Utensilien, die ihm als Talisman dienten und ihm diese Unversehrtheit garantieren sollten. Ein Stück Bocksbart, ein Wolfsauge und eine Gemskugel sollten dazu auf jeden Fall ausreichen.
Magdalena wartete am Stadttor, dessen in die Stadtmauer integrierter Geschützturm wie auch das vorgesetzte Hornwerk gleich zu Beginn des Sturms aufgegeben worden waren, um in dem entstandenen Gedränge weiterzukommen. Sie vernahm bereits die ersten Schreckensschreie der einsetzenden fürchterlichen Gemetzel und sah, wie die ersten blutigen Leiber über die Stadtmauer hinunter in den Kanal stürzten. Als sie nach dreißig endlos scheinenden Minuten innerhalb der Stadtmauern angekommen war, glaubte sie sich in der Hölle wieder. Blut floss in Bächen die Straßen hinunter und färbte das Pflaster tiefrot.
Anfangs trafen die Eroberer noch auf erbitterten Widerstand der Bürger Magdeburgs. Siedendes Wasser ergoss sich aus den Fenstern in die engen Gassen, auf die Köpfe der vor Schmerz aufschreienden Söldner. Aus dem Hinterhalt der Kellerfenster jagten Pistolenkugeln in die Beine und Bäuche der Eindringlinge. Der Widerstand war jedoch bald im Keim erstickt. Magdalena, die bislang geglaubt hatte, alle entsetzlichen Fantasien der Soldaten seit Jahren zur Genüge zu kennen, wurde bereits in den ersten Stunden eines grausamen Besseren belehrt. Vor einem Brauhaus, nur einige Häuser vom Krockentor entfernt, standen zwei große Fässer mit Bier, die oben eingeschlagen worden
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