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Der Fluch des Denver Kristoff

Der Fluch des Denver Kristoff

Titel: Der Fluch des Denver Kristoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Vizzini , Chris Columbus
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dass sie ein schmatzendes Geräusch von sich gaben. Er verzog seinen riesigen Mund zu einem breiten, liebevollen Lächeln. Die gelbliche Farbe seiner fauligen, krummen Zähne erinnerte an verschimmelten Zuckermais.
    »Ooh, ist der süß!«, sagte Eleanor.
    Die anderen starrten sie ungläubig an.
    »Wie ein Müffel-Monster aus der Muppet Show, meine ich«, erklärte Eleanor.
    Brendan grinste nur und ging zum Fenster, um Dick Jagger zu bitten, sie auf dem Boden abzusetzen. Doch er kam nicht mehr dazu: Ein seltsamer Schatten (es sah aus wie eine Bergkette aus riesigen Fingerknöcheln) fiel auf den Kopf des Riesen. Jaggers Lächeln erlosch. »He, Leute! Passt auf …«, setzte Brendan an.
    Doch ihm blieb keine Zeit mehr, den Satz zu beenden. Der glatzköpfige Gigant hatte zum Schlag ausgeholt. Ein Hieb seiner gewaltigen Faust traf Jagger mit der Wucht einer TNT-Sprengladung am Kopf. Und wie bei jedem guten Faustschlag blieb es nicht bei einem oberflächlichen Kitzeln, die Erschütterung ließ den ganzen Körper des Riesen erzittern … bis in die Villa Kristoff.
    Die Wand des Schlafzimmers wölbte sich bedrohlich unter der Druckwelle, hielt jedoch seltsamerweise stand. Nur der Putz rieselte von der Decke und eine Fensterscheibe zersprang. Wie eine Stoffpuppe wurde Brendan durchs Zimmer geschleudert – und im nächsten Augenblick wirbelte das ganze Haus in hohem Bogen durch die Luft!
    »Bren!«, schrie Cordelia. Sie wollte ihm zu Hilfe eilen, doch ebenso gut hätte sie versuchen können, zum Mond zu gelangen. Das Zimmer – der Fußboden – das ganze Haus gerieten gefährlich ins Trudeln. Oben und Unten existierten nicht mehr. Cordelia konnte nur hilflos zusehen, wie ihr Bruder in einer Ecke des Zimmers zusammensackte, und sie hoffte, dass er den heftigen Aufprall überlebt hatte … doch dann – während das Haus allmählich den Gesetzen der Schwerkraft nachgab und sich im freien Fall befand – schoss ihr ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf: Was soll’s? Viel länger wird er sowieso nicht mehr leben!

35
    W enn im Kino oder in Fernsehfilmen sterbende Menschen ihr Leben im Zeitraffer vor ihren Augen vorbeifliegen sahen, hatte Cordelia sich jedes Mal gefragt: Ist es wirklich so einfach? Ein Leben war lang und kompliziert – sogar ihres, obwohl sie noch gar nicht so alt war. Sich an einzelne Szenen zu erinnern, war sicherlich nicht leicht. Stattdessen rief sie laut nach ihrer Schwester: »NELL!«
    »Komm schnell!« Eleanor trieb Cordelia an, während draußen vor dem Fenster Fetzen eines blauen Himmels vorbeiflogen. »Wir verstecken uns im Kleiderschrank, beeil dich!«
    Will hatte unterdessen den bewusstlosen Brendan in den Kleiderschrank gezerrt, sich alle Kissen, Schlafsäcke und Bettdecken geschnappt und den engen Raum gepolstert wie einen Kokon. Eleanor und Cordelia sprangen hinterher und rissen die Schranktür hinter sich zu – gerade in dem Moment, als die Villa Kristoff auf die Baumwipfel traf. Sie hörten ein Rauschen wie von mächtigen Wellen, die sich an einem Strand brechen, als das Haus durch das dichte Blätterdach schlug und sein Gewicht die Äste krachend zersplittern ließ. Cordelia wurde hilflos in dem notdürftig ausgepolsterten Schrank hin und her geworfen und stieß erstickte Angstschreie aus. Unter ohrenbetäubendem Quietschen schrammten die Hauswände über die Astrinde, bis das Haus plötzlich zum Stillstand kam. Als Cordelia die Augen öffnete, merkte sie plötzlich, dass sie einen Haufen Kleiderbügel umklammerte.
    »Ich würde sagen, wir sind gelandet«, stellte Will fest und drückte die Tür einen Spaltbreit auf.
    Im Schafzimmer lag alles drunter und drüber, als sei es wie in einer Schneekugel durchgeschüttelt worden: Die Nachttischchen waren in Einzelteile zerlegt; die Truhe lag auf dem Kopf; die aufgerissene Matratze hing zur Hälfte aus dem zersplitterten Fenster. Wenn wir uns nicht versteckt hätten, wären wir da draußen gepfählt worden, dachte Cordelia.
    »Sieht aus, als wären wir in einer Astgabel hängen geblieben.« Will zeigte auf die dicken Äste, die sich vor dem Fenster kreuzten.
    »Ich hab mir schon immer ein Baumhaus gewünscht«, grummelte Cordelia finster.
    Sie hörten, wie das Holz unter ihnen arbeitete. Der Fußboden neigte sich bedenklich.
    »Bald wird es kein Haus mehr geben«, unkte Will.
    Mit angehaltenem Atem lauschten sie auf jedes Geräusch, während sich der Ast, der sie aufgefangen hatte, unter der enormen Last ächzend bog und immer weiter nachgab.

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