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Der Fluch des Florentiners

Der Fluch des Florentiners

Titel: Der Fluch des Florentiners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ackermann
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durchgerungen hatten, als Drogenumschlagplätze bekannte Plätze in der Stadt mit fest installierten Videoanlagen zu überwachen, hatte es eine wundersame Völkerwanderung in der Wiener Innenstadt gegeben. Die Dealer und Drogenabhä n gigen waren vom Karlsplatz und aus den umliegenden U-Bahn-Eingängen verscheucht worden und ins weitaus nettere Ambie n te zwischen Parlament, Volkspark, Hofburg und Nationalbiblio thek umgesiedelt. Nebeneffekt dieser gleichsam populistischen wie sinnlosen Aktion war, dass nunmehr auch harmlose afrik a nische Studenten aus der nahen Universität zu Dealern abgestempelt wurden. An diesem ungewöhnlich milden, sonnigen Novembertag herrschte um die beiden grün patinierten Bronzereiterdenkmäler von Prinz Eugen und Erzherzog Karl herum ein ge radezu babylonisches Sprachgewirr. Immer, wenn sie hier vorbeikam, erinnerte sich Marie-Claire an die nette Geschichte, die ihr Großvater ihr als Kind über dieses gigant i sche Reiterdenkmal von Erzherzog Karl erzählt hatte. Im Gegensatz zu den meisten Reiterstandbildern ruht dieses Monument nur auf den Hinterbeinen des Pferdes und benutzt nicht, wie die meisten Reiterstandbilder der Stadt, den Pferd e schweif als dritte Stütze. Die Angst, diese wagemutige Konstruktion könne in sich zusammenstürzen und damit seinen Ruf ruinieren, hatte den Künstler namens Anton Dominik von Feinkorn so gequält, dass er geisteskrank geworden und daran gestorben war. Lächelnd ging sie weiter. Die wehende Staat s fahne auf dem Leopoldinischen Trakt der Hofburg signalisierte, dass der Bundespräsident im Hause war. Die zwei Polizisten vor dem mächtigen Holztor des Bundeskanzleramts streckten ihre Gesichter der wärmenden Sonne entgegen. Die Droschkenku t scher auf der Straße zwischen den beiden Reiterdenkmälern schienen angesichts des außergewöhnlich milden Novemberwe t ters zufrieden. Sogar einige Terrassenplätze des Cafés im Innenhof der Hofburg waren besetzt.
    Zielstrebig ging Marie-Claire über die Straße auf das prächtige, dunkelrot-grau-schwarze Schweizer Tor zu. Sie hatte sehr unrühmliche Erinnerungen aus der Schulzeit an dieses Tor. Bei ihrem ersten Schulausflug in der vierten Klasse des Lycée Français de Vienne hatten sie mit ihrer Kunstlehrerin vor diesem Tor gestanden. Weil sie gewagt hatte, die fünf Halbreliefs über dem Tor als » grausige Totenschädel « zu bezeichnen, hatte ihr Madame Babites eine Strafarbeit aufgebrummt. Bis zum nächsten Unterricht hatte sie einen zehnseitigen Aufsatz über die Inschrift am linken Tor der Hofseite schrei ben müssen, wo geschrieben steht: › Si deus pro nobis quis contra nos ‹. Seither wusste sie, dass dieser Spruch, » Wenn Gott mit uns ist, wer kann gegen uns sein? «, aus dem Brief des Paulus an die Römer stammte, aber auch der Lieblingsspruch der Gattin des Erzherzogs Johann und der ihrer Kunstlehrerin, der erzkonservativen und streng religiösen Madame Babites, war!
    Sie würdigte das herrliche Groteskenfresko und die Wappen verschiedener österreichischer Provinzen an der Innendecke des Tors nur mit einem kurzen Blick und ging weiter in den Inne n hof. Der Gedanke, die Wiener Schatzkammer heute nach so vielen Jahren unter solch eigentümlichen Rahmenbedingungen wieder zu besuchen, gefiel ihr. Seit sie sich intensiv mit den Unterlagen beschäftigt hatte, die sie von Francis Roundell bekommen hatte, drehte sich ihr ganzes Denken nur noch um den Florentiner-Diamanten und um die Ritter vom Goldenen Vlies. Das war der spannendste Auftrag, den sie bei Christie ’ s je erhalten hatte! Am gestrigen Abend war sie in der Staatsbibli o thek auf Hintergrundinformationen gestoßen, die sie vermuten ließen, dass dieser Auftrag ihr ein Höchstmaß an Kompetenz abverlangen würde. Sich mit dem Florentiner zu beschäftigen hieß letztendlich, sich mit der Geschichte des Abendlandes auseinander zu setzen: von den Kreuzrittern bis zur Gegenwart. Endlich konnte sie ihr Wissen aus ihrem Arabistikstudium und von ihren Reisen in Nordafrika und im Nahen Osten in einen Auftrag einbringen! Ihr Studium der Kunstgeschichte würde ebenso hilfreich sein wie ihre Ausbildung als Goldschmiedin. Ohne Frage hatte Francis Roundell sie deswegen mit diesen Recherchen beauftragt. Zufrieden lächelte sie vor sich hin. In der Schatzkammer war sie schon öfters gewesen, aber die Vitrine mit de r N ummer XIII hatte sie bislang noch nie unter solchen Aspekten betrachtet. Seit sie gestern Abend Informati o nen über die Vitrine und

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