Der Fluch des Florentiners
umarbeiten ließ. Sonderlich viel Glück hat ihr das nicht gebracht. Sie hat ihn angeblich nur ein einziges Mal tragen können, bevor sie am 10. September 1898 in Genf mit einer Feile erstochen wurde. Man sagt diesem Florentiner nach, dass er all seinen Besitzern nur Unglück brachte. Ich denke, deswegen hat Kaiser Franz Joseph ihn später auch in eine Brosche umarbeiten und ihn hier in der Schatzkammer verschließen lassen. Und zwar in der Vitrine XIII – über die es ein Buch gibt. «
Marie-Claire de Vries lächelte zufrieden. Es war eine kluge Entscheidung gewesen, Christiane in die Recherchen einzuweihen.
» Ich habe von diesem Buch gehört. Was den Florentiner betrifft, kann ich nur sagen, dass sich schon jetzt, am Anfang meiner Recherchen, zu bestätigen scheint, dass dieser Stein eine unglaublich fesselnde Historie hat. Um ihn ranken sich sehr tragische Geschehnisse, und das in geballter Form! Schenkt man all den Mythen und Legenden um diesen Diamanten Glauben, dann ist er tatsächlich mit einem Fluch belegt. Er hat vielen Tod und Verderben gebracht. Die Habsburger scheinen davon extrem betroffen gewesen zu sein. In jenen Zeiten, in denen der Florentiner dem Haus Habsburg gehörte, hat es in der Kaiserfamilie auffallend viel tragische Unfälle gegeben: Der Bruder von Kaiser Franz Josep h i st in Mexiko umgebracht worden; Sisis erstes Kind ist im Alter von zwei Jahren in Ungarn gestorben; Sisis Sohn Rudolph hat sich und seine Geliebte in Mayerling umgebracht; Kronprinz Ferdinand wurde in Sarajewo erschossen! Und nur wenige Jahre später floh die Kaiserfamilie aus Wien in die Schweiz. Die österreichische Monarchie und damit das über Jahrhunderte so mächtige Haus Habsburg waren binnen weniger Jahre von der politischen Landkarte Europas verschwunden. Und damit ist nur ein Teil der blutigen Vergangenheit dieses Diamanten erzählt! Es ist wirklich irrsinnig aufregend, sich mit diesem Edelstein zu beschäftigen. Aber wieso hat dich eigentlich vorhin der Zusammenhang mit dem Ritterorden vom Goldenen Vlies so erstaunt? «
Eine Gruppe von etwa dreißig Chinesen drängte sich lärmend an ihnen vorbei das Treppenhaus hinauf. Ihre Freundin schien von den wenigen Stufen atemlos zu sein.
» Mist! Ist ein schnödes Leben, das ich führe. Zu viel Zigaretten und zu wenige Streicheleinheiten für meine Seele! Mir geht die Puste schon nach zehn Stufen aus. Vielleicht ist ’ s besser, dass mein Broker es vorzieht zu pennen, statt mich zu schweißtreibenden Matratzenspielen zu überreden. «
Marie-Claire musste laut lachen. Sie liebte diese unverblümte Direktheit und den schwarzen Humor ihrer Freundin, aber sie wusste auch, dass sich hinter diesen witzigen Bemerkungen ihrer Freundin bittere Wahrheiten verbargen. Christiane holte tief Luft und sprach dann weiter.
» Mich überrascht dieser Zusammenhang zwischen dem Diamanten und dem Orden vom Goldenen Vlies deswegen, weil das jetzt das zweite Mal innerhalb weniger Tage ist, dass ich mit diesem mysteriösen Orden vom Goldenen Vlies z u t un habe. Das ist schon seltsam! Aber das erkläre ich dir später … «
Zum Schutze der licht- und umweltempfindlichen Exponate der Schatzkammer, aber auch aus Sicherheitsgründen waren alle Fenster der Schatzkammer verdunkelt. Speziallampen beleuchteten die wenigen Vitrinen, Bilder und Kunstschätze nur spärlich. Marie-Claire brauchte einige Minuten, bis sie sich an das diffuse Licht im ersten Raum gewöhnt hatte. Touristen mit Audiokassetten scharten sich um die Glasvitrinen und lauschten, den Blick auf die Kunstschätze gerichtet, den Stimmen aus den Kassetten. Die gedämpfte Atmosphäre verlieh dem Raum ein gespenstisches Ambiente. Alle Besucher flüsterten nur und schienen bedacht darauf zu sein, sich lautlos durch den Saal zu bewegen.
Schon im zweiten Raum blieb Christiane stehen. Mit einem Kopfnicken deutete sie auf ein riesiges Gemälde an der gegenüberliegenden Stirnwand.
» Da, schau ihn dir an, diesen pausbäckigen Monarchen! «, flüsterte sie. » Da hast du einen jener Männer, die dem Orden der Ritter vom Goldenen Vlies als Souveräne vorstanden: Kaiser Karl VI. – im Vliesornat! Und davor in der Vitrine die Krone des späteren Kaisertums Österreich. Eine viel sagende Konstellation! Inbegriff einer Macht, die für uns heute kaum noch vorstellbar ist! Der Monarch und der Orden vom Goldenen Vlies. «
Marie-Claire widmete der prächtigen, mit wunderbaren Perlen und vier überdimensionalgroßen Rubinen besetzten
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