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Der Fluch des Florentiners

Der Fluch des Florentiners

Titel: Der Fluch des Florentiners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ackermann
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Rabat traute niemand den einstigen Guerillas der Frente Polisario wirklich. Das waren höchst unbeugsame, freiheitsliebende Männer. Mit dem marokkanischen König in Rabat hatten sie ebenso wenig im Sinn wie mit seinen Vorstellungen von einem geeinten Marokko. Diese Männer mochten keine Gesetze und Reglements. Sie mochten keine Fremden. Sie mochten nur die Wüste. Les hommes bleus – die blauen Männer, hatten die französischen Kolonialherren sie genannt. Und auch sie hatten die Tuareg wegen ihres extremen Freiheitsdrangs und des Beharrens auf ihren traditionellen Lebensformen gehasst. Die Tuareg in Algerien hassten Unfreiheit ebenso, wie es jeder Targi in Mali, Niger, Mauretanien und auch in Marokko tat. Sie liebten die Wüste. Und sich selbst. Sie fühlten sich als Söhne der Wüste. Sonst nichts. Ihre Heimat lag zwischen den Horizonten der Dünen der Sahara. Grenzen kannten und akzeptierten sie nicht. Und weil dieses Selbstverständnis nicht mit neuzeitlichen Regierungsformen, mit Staatsgrenzen, Schulen und anderen » Unfreiheiten « der Gegenwart in Einklang zu bringen war, waren les hommes bleus Nordafrikas unbeliebt. Dass sie jetzt vermehrt nach Marrakesch kamen, um sich gegen Geld von Touristen foto grafieren zu lassen, störte viele hier in der Stadt. Diese Männer waren renitent, streitsüchtig – und wehrhaft. Immer hatten sie einen Dolch unter dem Gewand verborgen und trugen diese verfluchten Schwerter mit sich, mit denen sie perfekt umgehen konnten. Der Targi, der jetzt hinter ihm stand, hatte auch so ein Ding: gut einen Meter lang, mit einem Griff aus gegerbtem Ziegenleder. Die Klinge war schmal, hatte zwei Blutablaufrinnen und einige Gravuren. Es handelte sich um einen Skorpion und ein paar Schlangenlinien. Faisal Jawda konnte die Details auf dem Schwert genau erkennen. Es war das Schwert eines Targi. Aber dieser Mann war kein Targi! Seine Augen verrieten ihn. Diese Augen trugen zwar auch dieses Hochmütige, Unbeugsame, von Hass Erfüllte in sich, aber es waren keine Augen, die von der Wüstensonne Afrikas zu Sehschlitzen deformiert worden waren. Der Mann hatte nicht die typischen Falten beidseitig der Augen vom ewigen Zusammenkneifen als Schutz gegen die grellen Reflexe in den Sanddünen. Die Augen dieses Mannes waren sehr klar. Sie sagten etwas. Er konnte lesen, was es war.
    Panisch schoss Faisal Jawda hoch und versuchte, sich aufzurichten. Er musste sich dabei mit dem Oberkörper umdrehen und verlor den Mann für Bruchteile von Sekunden aus den Augen. Aber er hörte, was geschah, denn er kannte das Geräusch einer durch die Luft sausenden Klinge, deren Vibration Töne kreiert, die nur kennt, wer sie schon einmal ganz nahe an seinem Kopf gehört hat. Er hatte solche Töne gehört! In der Wüste. Bei einem Streit mit einem Targi, der sich sein Schwert nicht von den Soldaten hatte abnehmen lassen wollen. Wie ein Wahnsinniger hatte er die schmale, dünne Klinge durch die Luft sausen lassen, um sich die Soldaten vom Leibe zu halten. Nur knapp war diese Klinge a n s einem Ohr vorbeigesaust. Seither kannte er, Faisal Jawda, diesen Ton. Er trug den Tod in sich. Das wusste er. Und genau diesen Ton hörte er jetzt hinter sich. Er wusste nur nicht, warum …
     
    *
    Oberst Khalid Semouri, Offizier des Geheimdienstes DST von Al-Mamlaka al-Maghrebia, wie Marokko sich offiziell nennt, machte die Anwesenheit europäischer Geheimdienstleute und hochrangiger Polizisten aus Europa nervös. Vom deutschen Bundeskriminalamt war gestern Abend ein Abteilungsdirektor eingeflogen. Die Österreicher hatten ebenfalls einen Beamten geschickt. Aus Rom war gleich ein Stellvertreter des Staatsse k retärs mit einem Sonderflugzeug gelandet. Und ein Beamter der Interpol-Sonderkommission aus Lyon war anwesend. Marr a kesch war plötzlich zum Treffpunkt hochrangiger Polizisten und Nachrichtendienstler aus Europa geworden. Viele unangenehme Fragen waren gestellt worden. Mit den Antworten waren die ausländischen Kollegen nicht immer zufrieden gewesen. Entsprechend angespannt war die Stimmung. Auch er fühlte sich bei dem Gedanken unwohl, dass sein Land durch die Aktivitäten dieser Terroristen weltweite Aufmerksamkeit erlangen würde. Davon hatte man, seit die Geschehnisse in den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla eskalierten, wahrlich genug. Der Flüchtlingsstrom von Tausenden Schwarzafrikanern, die aus den südlich der Sahara gelegenen Staaten nach Marokko einsicke r ten, um von den beiden zu Spanien gehörenden

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