Der Fluch des Khan
nach hinten griff, um einen weiteren Pfeil aus dem Köcher zu ziehen, schleuderte Pitt den Speer, den er im Grabmal mitgenommen hatte.
Der Berittene war fast fünfzehn Meter entfernt, doch Pitts Spieß flog genau auf den Mann zu. Nur eine rasche Drehung rettete ihm das Leben, doch die scharfe Spitze erwischte ihn trotzdem und bohrte sich unmittelbar über dem Ellbogen in den rechten Arm. Er ließ den Bogen fallen und schlug die linke Hand über die Wunde, um die Blutung zu stillen.
Doch Pitt und Giordino war damit nur eine kurze Verschnaufpause vergönnt. Die drei anderen Reiter schlossen rasch zu ihrem verwundeten Kameraden auf und nahmen sie wieder unter Beschuss. Von der anderen Seite der Scheune übertönte das Hufgeklapper der anderen Patrouille den heulenden Wind, und nur Minuten später schwirrte ein Hagel messerspitzer Pfeile in den Schuppen und schlug mit mörderischer Wucht in Holzkisten und Karren ein. Die Bogenschützen verstanden ihr Handwerk und deckten Pitt und Giordino bei der geringsten Bewegung mit ihren Geschossen ein. Wäre der starke Wind nicht gewesen, der immer wieder Staubwolken aufwirbelte, die den Reitern die Sicht raubten, und zudem ihre Pfeile ablenkte, die beiden Männer wären binnen kürzester Zeit tot gewesen. Pitt und Giordino wiederum sorgten dafür, dass ihnen die Angreifer nicht zu nahe kamen.
Obwohl sie unbewaffnet waren, verteidigten sie sich so gut sie konnten. Sie entdeckten einen Wagen voller Werkzeuge und Gartengeräte, die sie kurzerhand zu Wurfgeschossen umfunktionierten. Vor allem Giordino zeigte sein Können im Pickelwerfen, als er einen Wächter am Schenkel traf und einen zweiten aus dem Sattel holte. Eine Zeitlang konnten sie sich die Angreifer mit fliegenden Hacken, Äxten und Schaufeln vom Leib halten, doch die Reiter wussten, dass die beiden Männer in der Falle saßen.
Bislang war der Wind Pitts und Giordinos Verbündeter gewesen, doch jetzt, mitten im Gefecht, flaute er plötzlich einen Moment lang ab. Als sich der Staub legte und das Heulen nachließ, wussten die beiden Männer, dass ihnen Ungemach drohte. Jetzt hatten die Reiter freie Sicht und deckten sie unentwegt mit ihren Pfeilen ein. Wenn sie stehen geblieben wären, hätte das ihren sofortigen Tod bedeutet, daher warfen sie ihre Werkzeuge weg und hechteten in Deckung. Die beiden wälzten sich unter einen Wagen, stellten aber fest, dass ihnen die großen Speichenräder kaum Schutz boten. Ein halbes Dutzend Pfeile bohrte sich nur Zentimeter über ihren Köpfen in den Wagen, und auf der anderen Seite der Scheune fielen mit einem Mal Schüsse, als die zweite Patrouille statt der Bogen ihre Gewehre einsetzte, um die Belagerung zu beenden.
»Auf Custers letztes Gefecht kann ich gut verzichten«, grummelte Giordino, über dessen Wange ein dünner Blutfaden rann, nachdem er vom Holzsplitter eines zerbrochenen Pfeils getroffen worden war. »Meinst du, die lassen sich auf ein weißes Taschentuch ein?«
»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Pitt, der an Roy dachte. Ein Pfeil bohrte sich unmittelbar neben ihm in das Wagenrad, und instinktiv wollte er sich wegrollen, prallte aber gegen etwas Hartes. Er drehte sich um und sah neben dem Wagen eine schmutzige Segeltuchplane, unter der sich ein kantiger Gegenstand abzeichnete. Im nächsten Moment kam der nächste Pfeilhagel angeflogen und zwang ihn, zu Giordino zu robben.
»Was hältst du davon, wenn wir uns bei der nächsten Staubwolke auf einen der Reiter am Rand stürzen?«, fragte Giordino.
»Du schnappst dir die Zügel, ich übernehme den Mann, dann schwingen wir uns in den Sattel. Meiner Ansicht nach kommen wir hier nur raus, wenn wir uns ein Pferd besorgen.«
»Riskant«, erwiderte Pitt, »aber wahrscheinlich unsere einzige Chance.« Er rollte sich auf die Seite, um die Lage zu sondieren, und riss dabei versehentlich einen Teil der Plane neben dem Wagen herunter. Giordino bemerkte, wie Pitts Augen plötzlich auffunkelten, als er unter das Segeltuch spähte.
»Anderer Plan?«, fragte er.
»Nein«, versetzte Pitt. »Aber wir versuchen lieber, auf einem anderen Pferd rauszukommen.«
23
D as Funkgerät an der Wand knackte, dann drang eine raue Stimme aus dem Lautsprecher. Sie klang verzerrt und wurde von allerlei Störgeräuschen überlagert, die der pfeifende Wind verursachte, war aber trotzdem gut zu verstehen.
»Wir haben sie hinter dem Heiligtum umstellt. Sie sind mit der chinesischen Delegation eingetroffen und haben sich als mongolische Personenschützer
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