Der Fluch des Khan
Verbotenen Stadt lag, war es etwas kühler. Der fensterlose Raum, tief im Keller eines uralten Gebäudes verborgen, das den unpassenden Namen
Palast des tiefen Mitgefühls
trug, war mit einer seltsamen Gemengelage aus edlen Teppichen, alten Wandbehängen und billigen Büromöbeln aus den 1960er Jahren eingerichtet. Ein halbes Dutzend ernster Männer, die Elite des Ständigen Ausschusses des Politbüros der KP, des einflussreichsten Gremiums der chinesischen Regierung, saß im Beisein von Qian Fei, dem Generalsekretär der Partei und Präsidenten von China, um einen verschrammten runden Tisch.
Der Handelsminister, ein Mann namens Shinzhe, der schütteres Haar und glänzende Knopfaugen hatte und den Parteibonzen mit seiner jungen Assistentin Rede und Antwort stand, fand es auch hier viel zu stickig.
»Shinzhe, der Staat hat erst im letzten November den Fünfjahresplan für den wirtschaftlichen Fortschritt bewilligt«, hielt ihm Präsident Fei mit herablassendem Tonfall vor. »Wollen Sie mir etwa sagen, dass ein paar ›Zwischenfälle‹ die hehren Ziele unseres Volkes unerreichbar gemacht haben?«
Shinzhe räusperte sich und wischte sich die feuchte Hand am Hosenbein ab.
»Herr Generalsekretär, hochverehrte Mitglieder des Politbüros«, erwiderte er und nickte den am Tisch versammelten Bürokraten zu. »Der Energiebedarf Chinas war in den letzten Jahren erheblichen Veränderungen unterworfen und ist durch das rasche und dynamische Wachstum unserer Wirtschaft erheblich gestiegen. Vor ein paar Jahren noch hat unser Land Rohöl ausgeführt. Heute wird mehr als die Hälfte unseres Verbrauchs durch Rohöleinfuhren gedeckt. Das ist eine bedauerliche Tatsache, die auf die Stärke unserer Wirtschaft zurückzuführen ist. Ob wir wollen oder nicht, wir sind abhängig von den ökonomischen und politischen Kräften, die am ausländischen Erdölmarkt eine Rolle spielen, so wie es die Amerikaner in den letzten vier Jahrzenten waren.«
»Ja, wir alle sind uns des wachsenden Energiebedarfs wohl bewusst«, stellte Fei fest. Der erst unlängst gewählte Parteivorsitzende, mit seinen fünfzig Jahren für chinesische Verhältnisse vergleichsweise jung, begegnete den Traditionalisten im bürokratischen Apparat mit List und Charme zugleich. Er galt zwar als aufbrausend, wie Shinzhe wohl wusste, legte aber Wert auf die Wahrheit.
»Das ist, als hätte man uns die Gliedmaßen abgeschlagen. Das Erdbeben in Saudi-Arabien wird unsere Öllieferungen per Schiff über Monate hinweg stark einschränken, auch wenn wir im Laufe der Zeit andere Versorgungsmöglichkeiten aufbauen können. Der Brand im Hafen von Ningbo schadet uns möglicherweise noch mehr. Fast ein Drittel unserer Öleinfuhren strömen über die dortigen Anlagen. Die für den Ölimport notwendige Infrastruktur lässt sich nicht so rasch wiederaufbauen. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir ab sofort mit empfindlichen Engpässen zu rechnen haben, die sich nicht so leicht beheben lassen.«
»Ich habe erfahren, dass es möglicherweise ein Jahr dauern kann, bis die Schäden so weit behoben sind, dass die Einfuhren wieder den derzeitigen Umfang erreichen können«, sagte ein weißhaariges Mitglied des Politbüros.
»Diese Einschätzung kann ich nicht bestreiten«, sagte Shinzhe und senkte den Kopf.
Auf einmal erloschen die Neonlampen an der Decke, und gleichzeitig verstummte die laute und nahezu wirkungslose Klimaanlage. Eine Zeitlang herrschte in dem dunklen Raum Stille, dann flackerten die Lichter auf, und die Lüftung sprang wieder an. Prompt bekam der Präsident einen Wutanfall.
»Diese Stromausfälle müssen aufhören!«, schrie er. »Halb Shanghai war fünf Tage lang ohne Elektrizität. Unsere Fabriken müssen wegen Stromknappheit die Produktion einschränken, unsere Arbeiter können sich zu Hause nicht einmal ihr Abendessen zubereiten. Und jetzt teilen Sie uns mit, dass unser Fünfjahresplan wegen Engpässen bei der Treibstoffeinfuhr aus dem Ausland null und nichtig ist? Ich möchte wissen, was getan wird, um diese Probleme zu lösen?«, zischte er.
Shinzhe sank bei dieser Tirade förmlich in sich zusammen. Er warf einen Blick in die Runde, sah aber, dass keins der anderen Ausschussmitglieder den Mut zu einer Erwiderung hatte, daher holte er tief Luft und ergriff mit ruhigem Tonfall das Wort.
»Wie Sie wissen, werden in den neuen Wasserkraftwerken des Drei-Schluchten-Staudamms zusätzliche Generatoren ans Netz gehen, gleichzeitig sind ein halbes Dutzend neuer Kohle-
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