Der Fluch des Khan
mindestens ebenso schlimm ausfallen wird wie nach dem 11. September 2001.
Wenn die hundertfünfundzwanzig Dollar pro Barrel Öl an den Verbraucher weitergegeben werden und er nächste Woche anderthalb Dollar für einen Liter Benzin zahlen muss, wird er seinen Hummer stehen lassen und mit dem Bus fahren. Alles wird teurer werden, von Windeln für Babys bis zu Flugtickets.
Auf eine derartige Preissteigerung, die den Konsum in kürzester Zeit dämpfen wird, ist niemand vorbereitet.«
»Kann der Präsident irgendetwas dagegen tun?«, fragte Eli.
»Nicht viel, auch wenn es ein oder zwei Dinge gibt, die den Schlag etwas abmildern könnten. Die strategischen Erdölreserven unseres Landes sind auf dem Höchststand. Wenn der Präsident will, könnte man auf diese Reserven zurückgreifen und so einen Teil der Ausfälle aus Saudi-Arabien ausgleichen.
Darüber hinaus hat man mit der von der vorherigen Regierung bewilligten Förderung im arktischen Naturschutzgebiet begonnen, sodass die Alaska-Pipeline jetzt wieder mit voller Kapazität läuft. Das wird der einheimischen Produktion leichten Auftrieb geben. Allerdings wird sich mit keiner dieser Maßnahmen eine Treibstoffknappheit in einigen Regionen des Landes verhindern lassen.«
»Was können wir langfristig erwarten?«, hakte Eli nach.
»Wir können zwar nicht absehen, welche Auswirkungen die Angst auf die Märkte haben wird, aber wir können doch die Dynamik von Angebot und Nachfrage voraussagen, die sich letztlich durchsetzen wird. Der Preisanstieg sollte die derzeitige Nachfrage im Lauf der nächsten Monate etwas dämpfen, wodurch der Druck auf die Ölpreise abgemildert werden dürfte.
Darüber hinaus werden die anderen OPEC-Länder lauthals verkünden, sie könnten die saudischen Exportausfälle auffangen. Allerdings ist noch unklar, ob sie die nötige Infrastruktur dafür haben.«
»Aber liegt es nicht im Interesse der OPEC, dass der Ölpreis bei über hundert Dollar stagniert?«, wandte Eli ein.
»Sicher, wenn die Nachfrage konstant bleibt. Aber wir werden uns auf schwere wirtschaftliche Rückschläge einstellen müssen.
Wenn der Preis willkürlich bei hundertfünfundzwanzig Dollar bliebe, würden wir einen Zusammenbruch der Weltwirtschaft erleben, vergleichbar der großen Krise der zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts.«
»Sie glauben doch nicht, dass es so weit kommt?«
»Möglich wäre es. Aber die OPEC will ebensowenig wie die Industrienationen, dass es zu einem weltweiten Wirtschaftskollaps kommt, daher wird man die Einkünfte herunterfahren. Die größte Sorge bereitet uns nach wie vor das Angebot. Wenn es zu einer weiteren Reduzierung des Angebots kommt, ist alles möglich.«
»Und wie stellt sich das fürs Anlagekapital dar?«, hakte Eli wieder nach.
»Erste Einschätzungen aus Ras Tanura deuten darauf hin, dass die Einschiffungsanlagen innerhalb von sechs bis neun Monaten repariert oder wiederaufgebaut werden können. Ich würde beim derzeitigen Preis kurzfristige Ölpositionen empfehlen, da zu erwarten ist, dass sich die Preise innerhalb von neun bis zwölf Monaten wieder in moderateren Höhen bewegen werden.«
»Sind Sie sich dessen sicher?«, fragte Eli leicht skeptisch.
»Natürlich nicht«, gab Clayton zurück. »Venezuela könnte morgen von einem Meteoriten getroffen werden. In Nigeria könnte ein faschistischer Diktator an die Macht gelangen. Es gibt tausendundein politische und natürliche Einflüsse, die den ganzen Ölmarkt im Nu durcheinanderbringen könnten. Das ist ja das Beunruhigende. Jede weitere schlechte Nachricht könnte uns nicht nur in eine Rezession, sondern in eine schwere Wirtschaftskrise treiben, von der wir uns jahrelang nicht erholen würden. Aber ich halte die Annahme, dass es zu einer weiteren Naturkatstrophe von den gleichen Ausmaßen wie Ras Tanura kommen könnte, für etwas weit hergeholt. Gibt es noch weitere Fragen?«, sagte Clayton, die inzwischen bei ihrem letzten Dia angelangt war.
Harvey öffnete die Jalousien, worauf gleißender Sonnenschein einfiel und alle einen Moment lang zum Blinzeln brachte.
»Ja, ich handle weltweit mit Dividendenpapieren«, sagte eine blonde Frau in einer granatfarbenen Bluse. »Können Sie mir sagen, welche Länder durch den Rückgang der saudischen Ölimporte am stärksten betroffen sein werden?«
»Sandra, ich kann Ihnen sagen, wohin die Saudis ihr Öl derzeit exportieren. Die USA sind, wie Sie wissen, seit den 1930er Jahren der Hauptabnehmer von saudischem
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