Der Fluch des Koenigs
„Überrasche mich, Prinzessin.“
Moa ballte die Hände zu Fäusten. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. „Meine Eltern wurden ertränkt, als ich acht Jahre war.“
Joesins Gesicht blieb unbewegt. Moa machte einen Schritt auf ihn zu. „Mein Onkel übernahm die Regentschaft und verbot mir, das Schloss jemals zu verlassen, aus Angst ich könne den gleichen Mördern zum Opfer fallen wie sie. Aber er kümmert sich gut um mich und ja, ich brauche mir um nichts Sorgen machen. Trotzdem habe ich mir oft genug gewünscht, ich könnte einfach von meiner Terrasse fliegen und frei sein. Die Welt sehen.“ Sie musste auflachen, als ihr die Ironie ihrer Worte bewusst wurde, doch der Laut, der aus ihrer Kehle drang, wurde zu einem Schluchzen.
„Jeden Tag stehe ich dort oben und wünsche mir, ich wüsste mehr über das Land auf das ich hinab schaue. Über die Menschen die darin wohnen und zum Schloss hochblicken. Ich sehe die Flüsse und die Fischerboote, die Reisfelder und die Hirten die mit den Rinderherden und Schafherden durch das Tal ziehen. Manchmal denke ich mir Geschichten über sie aus und ...“ Moa verstummte. Wütend wischte sie die Tränen die über ihre Wangen kullerten, mit einem überlangen Hemdsärmel weg.
Joesin stieß ein Schnauben aus. „Klingt schrecklich.“
„Verspotte mich nicht!“, schrie Moa. „Du bist nichts als ein gemeiner Verbrecher. Gefühllos und grausam!“
„Ganz recht, Prinzessin.“ Langsam kam er auf sie zu. In seinem Gesicht lag pure Dunkelheit. „Und du solltest mich nicht reizen.“
Die Ruhe, mit der er die Worte aussprach, jagte Moa mehr Angst ein, als sein Zorn es vermocht hätte. Mit einem Mal wich alle Kraft aus ihren Gliedern und ihre Knie gaben nach. Sie taumelte zu den Bäumen zurück und sank an einem Stamm zu Boden.
Dort kauerte sie sich hin und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Kapitel 3
Aeshin setzte die Kiste auf dem mit Wachs bespritzten Boden ab und streckte ihren Rücken. Die Flämmchen der Kerzen, die sie aufgestellte hatte, schwebten im Thronsaal wie Irrlichter in einem toten Sumpf. Caruss, der König von Cinann, hatte vor über zehn Jahren die riesigen Fenster mit schwarzem Tuch verhängen lassen. Seit dem herrschte hier ewige Nacht.
Aeshin schauderte und rieb sich die Arme. Trotz der hohen Decken, kam ihr dieses Gebäude wie ein Grab vor, angefüllt mit lauernden Schatten und einer Kälte, die sich in den Knochen einnistete und einen nicht mehr losließ.
Sie bückte sich gerade nach der Kiste, um die letzten Lichter auszutauschen, da hörte sie ein schweres Poltern. Mit einer Kerze in der Hand fuhr sie herum.
Die alten Eisengelenke der Türen zum Thronsaal kreischten wie unter Schmerzen, als sie von außen aufgeschoben wurden.
„Mein König!“ Ein junger Alchemist in schwarzen Roben stürmte hindurch. Er eilte an Aeshin vorbei, ohne sie zu sehen, und hielt direkt auf den Thron zu.
Flink sprang Aeshin hinter eine der schlanken Säule, die sich in Zweierreihen durch den Saal zogen. Der Bote musste Neuigkeiten von Prinz Alawas Verlobungsfeier bringen. Aeshins Herz machte einen schmerzhaften Satz und schlug in doppeltem Tempo weiter. Dies waren die Nachrichten auf die sie gewartet hatten.
So schnell sie konnte, schlüpfte sie von Säule zu Säule, stets darauf bedacht, nicht auf dem Kerzenwachs auszurutschen, das beinahe den gesamten Boden bedeckte. An der zehnten Säule vor dem Thron hielt sie inne und lugte dahinter hervor.
König Caruss saß in einem Berg aus roten Samtdecken auf dem Thron. Um ihn herum stand eine Gruppe schwarzgewandeter Alchemisten, die den König einhüllten wie eine Sturmwolke. Ihre spitzen Hüte kennzeichneten sie als die ranghöchsten ihrer Kaste. Aeshins Finger gruben sich in den kalten Stein der Säule. Foltermeister wäre die treffendere Bezeichnung für diese Männer.
Eine einzige goldene Robe befand sich unter ihnen. Aeshin kniff die Augen zusammen und stellte erleichtert fest, dass es sich bei dem blonden Mann um Yhenn Vendaris hielt.
Da die übrigen Alchemisten in einen heftigen Streit verstrickt waren, bemerkten sie den Boten erst, als er vor der Plattform, auf der der Thron errichtet war, schlitternd zum Halten kam.
„Mein König“, rief der junge Alchemisten atemlos und fiel auf die Knie.
Stille senkte sich über den Thronsaal, als die schwarzen Roben langsam zur Seite glitten, um ihrem König die Sicht auf den Boten freizumachen.
Caruss, dessen Kinn auf seine Brust gesunken war, hob
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