Der Fluch des Koenigs
erschreckte sie so sehr, dass ihre Hände zitterten.
„Ich, ich kann das nicht“, stammelte sie.
Joesin hatte auf dem Stuhl vor ihr platzgenommen. Er drehte den Kopf, zuckte jedoch sogleich zusammen. „Ich werde dich genau anleiten“, versicherte er ihr. „Du musst entschlossen vorgehen und darfst nicht zimperlich sein, sonst tust du mir mehr weh als notwendig.“
Moa schaute ihn bestürzt an. Ihre Augen glitten über die schlecht verheilten Schnitte und Male, die seinen Rücken bedeckten. Peitschenhiebe. Sie musste schmerzhaft schlucken. Die Narbenmuster muteten an wie Seile. Fesseln, die Joesin noch immer hielten und sich um seinen Körper schlangen, obwohl er seinen Peinigern entkommen war. Es war Moa ein Gräuel, dass er durch ihre Hand eine weitere Narbe erhalten sollte.
Auf dem Tisch neben ihr stand der Topf mit dem Wasser. Joesin nickte auffordernd darauf und drehte dann den Kopf zur Tür, damit das Feuer seinen Rücken beleuchtete.
Zögernd nahm Moa ein sauberes Stück Stoff zur Hand, tauchte es in das Quellwasser und wrang es aus. So vorsichtig sie konnte, wischte sie das getrocknete Blut um die Pfeilwunde von Joesins Haut.
Dabei fuhren ihre Finger versehentlich über seine blassroten Narben. Sie fühlten sich härter an als die unversehrte Haut und doch seltsam weich, aber überhaupt nicht unangenehm, wie sie befürchtet hatte.
Behutsam wusch sie die Wunde aus, immer darum bemüht, ihren Atem regelmäßig und ihre Hände ruhig zu halten. Joesins Blut verfärbte das Wasser im Topf zu einem leichten Rosaton, das bald darauf zu einem satten Rot wechselte. Die Wundränder um den Pfeilschaft waren heiß und geschwollen, noch immer sickerte Blut hervor, doch Joesin blieb die ganze Zeit über regungslos sitzen und gab keinen Laut von sich.
Als Moa fertig war, atmete sie erleichtert auf und hängte das Stück Stoff über den Rand des Topfes. Joesin setzte sich auf dem Stuhl zurecht und rückte seine Schulter mehr ins Feuerlicht. Seine Muskeln spannten sich bei jeder Bewegung.
„Jetzt nimm den Dolch“, sagte er gelassen, als ginge es um eine alltägliche Handlung und nicht darum, ihm ins Fleisch zu schneiden.
Moa bekämpfte ihre aufsteigende Übelkeit und hob den Dolch, den Joesin zuvor in das kochende Wasser des Kessels gehalten hatte, vom Tisch. Sie wusste nicht recht wie sie ihn halten sollte. Nie zuvor hatte sie eine Waffe in der Hand gehabt.
„Zwei saubere Schritte an der Pfeilspitze entlang“, erklärte Joesin ungerührt, „um die Wundränder zu erweitern. Dann ziehst du die Spitze vorsichtig, aber entschlossen raus.“
Moa hielt den Dolch vor ihre Augen und beobachtete, wie der Feuerschein von seiner scharfen Klinge reflektiert wurde. Ihr Blick fiel auf Joesins Wunde und sie musste an die Männer denken, vor denen er sie gerettet hatte. Der stinkende Atem, die groben Hände und das lüsterne Funkeln in ihren Augen. Mit einem tiefen Atemzug, zwang sie Angst und Bedenken zur Seite. Langsam senkte sie die Klinge an die Wunde.
„Nicht zögern“, mahnte Joesin.
Seine Worte brachten Moa erneut aus der Fassung.
„Bitte“, presste sie hervor, um Konzentration bemüht. „Wenn du mir helfen willst, dann hör auf zu bluten. Ansonsten sei bitte still.“
Die Augen auf den Pfeilschaft gerichtet, fasste sie den Griff des Dolchs fester und legte die Klinge erneut dort an, wo der Pfeilschaft aus Joesins Haut ragte. Rasch machte Moa einen Schnitt an der Spitze des Pfeils entlang.
Als sie spürte, wie die scharfe Klinge durch Haut und Muskeln glitt, hätte sie am liebsten aufgeschrien und den Dolch fallen gelassen, doch sie riss sich zusammen und hielt ihn ruhig, bis sie den Schnitt zu Ende geführt hatte.
Joesin saß still wie eine Statue, kein Laut kam über seine Lippen. Einzig an seiner verkrampften Haltung und den angespannten Schultermuskeln konnte Moa erkennen, dass er Schmerzen litt. Frisches Blut quoll aus der Wunde und floss über seinen Rücken.
Moa zog den Dolch aus der Wunde. Von der Klinge fielen rote Tropfen auf den Lehmboden. Schnell hielt sie die Klinge nach unten, damit das Blut nicht auf ihre Hand lief.
Die Pfeilspitze saß tief. Sie war bis auf den Knochen des Schulterblatts eingedrungen und ihre Widerhaken hatten sich in Muskeln und Fleisch festgebissen. Moas Herz raste, doch ihre Finger waren ruhig und gingen mit einer Präzision vor, die sie sich selbst nicht zugetraut hätte.
Sie setzte die Klinge am anderen Wundrand an und ritzte an der Pfeilspitze entlang. Diesmal
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