Der Fluch des Koenigs
war es leichter zu ertragen.
Sobald der zweite Schnitt getan war, warf sie den Dolch angewidert auf den Tisch und fasste mit der rechten Hand nach dem Schaft. Sie würde fest zupacken und ziehen müssen, um die Spitze so sauber wie möglich zu entfernen.
Für einen Moment schloss sie die Augen. Ihre andere Hand legte sie neben die Wunde. Das Blut, das an ihren Fingern klebte, beachtete sie kaum, all ihre Konzentration war auf den Pfeilschaft in ihrer rechten Hand gerichtet. Vorsichtig, aber entschlossen zog sie daran. Mit einem Ruck war er frei.
Die verhasste Pfeilspitze fiel klackernd auf den Tisch. Moa nahm ein Stück Stoff, tunkte ihn in das heiße Wasser des Kessels und ließ den Kräutersud einwirken. Das Gebräu verbreitete einen frischen, herben Duft, der sich angenehm über den Geruch von Blut und Schweiß legte, der in der Luft gehangen hatte.
Aus dem Augenwinkel sah Moa, wie Joesin sich zur Seite drehte. Er nahm die noch blutige Pfeilspitze zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie betrachtend vor sein Gesicht. Seine Augenbrauen zogen sich finster zusammen.
Noch immer floss ein stetiges Rinnsal Blut über seine Schulter, den Rücken hinunter und tropfte auf den Lehmboden.
„Sollte die Wunde nicht genäht werden?“, fragte Moa. Sie zog den durchtränkten Stoff aus dem Sud und ließ ihn über dem Kessel abtropfen.
Joesin nahm die Augen nicht von der Pfeilspitze. „Nein.“
Moa stutzte. „Aber ... wird sie sich nicht entzünden?“
„Nein!“, entgegnete Joesin heftig und knallte die Pfeilspitze mit flacher Hand auf die Tischplatte.
Moa zuckte erschrocken zusammen, sagte jedoch nichts. Stattdessen wrang sie den Stoff aus und drückte ihn auf die Wunde. Sie griff nach der zweiten Stoffbinde, die auf dem Tisch lag und wickelte sie um Joesins Brustkorb und Schulter, so dass es das Kräutertuch, das auf die Wunde drückte, fest an Ort und Stelle hielt. Als sie fertig war, trat sie zurück und betrachtete ihr Werk.
Joesin erhob sich langsam vom Stuhl und drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war sehr blass und mit dem Feuerschein im Rücken wirkte er wie die verlorene Gestalt aus ihrem Alptraum. Den verletzten Arm hielt er nahe am Körper und seine Schultern und sein Kopf waren nach vorne gebeugt, sodass seine Augen vollkommen dunkel erschienen.
„Komm her“, sagte er mit rauer Stimme.
Moa starrte ihn an. Vor ihrem inneren Auge erwachten die Bilder aus ihrem Alptraum zu neuem Leben; fallende Aschefetzen, leere Augen wie zwei bodenlose Schlünde.
Joesin machte einen weiteren Schritt auf sie zu, sein Gesicht lag im Schatten. Alles, was Moa erkennen konnte, war Schwärze.
„Setz dich auf den Stuhl“, befahl Joesin. Ein feiner Schweißfilm glitzerte auf seiner Haut, seine Schultern bebten vor Anspannung.
Moa machte einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. „Hör auf mir Befehle zu erteilen!“
„Moa, lass das“, sagte Joesin gereizt. „Setz dich hin, damit ich nach deinem Hals sehen kann.“ Mit den letzten Worten schleuderte er die Pfeilspitze ins Feuer. Zischend wurde sie von den Flammen empfangen.
Moa schaute in die Flammen und schlang die Arme um ihren Körper. Alle Kraft war aus ihren Gliedern gewichen und hatte einer Erschöpfung Platz gemacht, die bis in ihre Seele reichte. „Ich will zurück nach Hause“, flüsterte sie.
Joesin sah sie an. Die Wut war aus seinem Gesicht verschwunden, mit einem Mal sah er beschämt aus. „Lass mich deine Verletzungen versorgen“, bat er und streckte zaghaft eine Hand nach ihr aus.
Moa schüttelte den Kopf und schleppte sich zum Strohlager. „Ich werde jetzt schlafen“, sagte sie und sank darauf nieder. „Einfach nur Schlafen.“
Etwas berührte ihre Wange.
Moa öffnete die Augen und sah Joesin vor sich knien. Mit einem nach Kräutern duftenden Tuch strich er vorsichtig über die Prellungen auf ihrer Wange. Das Tuch war warm und dort, wo es ihre Haut berührte, sog es die Schmerzen aus ihrem Gesicht.
„Entspann dich“, flüsterte Joesin. „Schlaf weiter.“
Moa schloss die Augen.
Als sie das nächste Mal zu sich kam, saß Joesin auf dem Stuhl vor dem Feuer und starrte in die Flammen. Durch das Fenster der Hütte fiel schwaches Licht, doch Moa konnte unmöglich sagen, welche Tageszeit herrschte.
Sie lag auf der Seite auf dem Strohlager, die Hände unter ihren Kopf geklemmt und die Beine an den Körper gezogen. Ihre Kleider waren größtenteils trocken und nur an wenigen Stellen noch klamm. Über ihr lagen ihr Umhang
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